Ein besonderes Fossil.-
Paläont. Z., 67, 3/4, 237-238, Stuttgart.
address: Staatliches Museum für Naturkunde, Stuttgart
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Die Travertinvorkommen im Neckartal bei Stuttgart stellen bedeutende Fundstätten für Fossilien und prähistorische Artefakte aus den quartären Warmzeiten dar (ADAM 1986 a, b; REIFF 1986). Die Travertine entstanden als Absätze kohlensäurehaltiger Mineralquellen, die noch heute zu den schüttungsstärksten in Mitteleuropa gehören.
In einer bestimmten Ausbildung weist das Travertingestein eine Bänderung auf, die durch abwechselnde helle und dunklere, durch Eisenocker gefärbte Lagen verursacht wird. In diesem Wechsel glaubt man jahreszeitliche Zyklen - analog den Jahresringen in Bäumen oder den Warven in Bändertonen - erkennen zu können. Problematisch erschien allerdings die Frage, welche Lagen zu welcher Jahreszeit entstanden sind. Eine Lösung zeichnete sich ab, als man Isotopenuntersuchungen anstellte (FRITZ 1968). Obwohl die Meßergebnisse etwas wider sprüchlich erscheinen, sollen die hellen Lagen im Sommer gebildet worden sein. Bei neuesten Untersuchungen (CHAFETZ et al. 1991) an rezenten und fossilen nordamerikanischen Travertinen, die ebenfalls eine solche Bänderung aufweisen, wurden die hellen Lagen zwar ebenfalls als Sommerlagen interpretiert, doch verhalten sich die gemessenen Isotopendaten im Vergleich zu den Stuttgarter Travertinen teilweise konträr. Offensichtlich wird der Einbau bestimmter Isotope in den Kalk nicht nur vom jahreszeitlichen Temperaturgang bestimmt, wie bisher angenommen wurde.
Die hellen Lagen werden von büscheligen Strukturen aufgebaut, die wir als verkalkte Cyanobakterienrasen deuten. Der Verzweigungsmodus dieser Büschel entspricht dem der Gattung Dicbothrix (GOLUBIC 1976). Fossilfunde in dieser Fazies sind extrem selten. Auf unserem abgebildeten Handstück (Abb.1) ist ein solcher Cyanophyceen-Rasen flächig aufgebrochen. Auf der Lage ist deutlich der Abdruck einer Libelle zu erkennen, ein einmaliger Fund in diesem Travertin. Bei der Libelle handelt es sich um eine Heidelibelle der Gattung Sympetrum. Da diese Libellen vom Sommer bis in den Herbst hinein fliegen, muß die helle Büschellage während dieser Zeit gebildet worden sein. So erweist sich in diesem Fall eine einfache palökologische Beobachtung komplizierten physikalischen Meßverfahren als überlegen.
Abb. 1. Abdruck einer Libelle (Sympetrum sp.) im Holstein-interglazialen Travertin von Stuttgart-Bad Cannstatt; Flügelspannwelte 55 mm; Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart, Inv.-Nr. 16244 Foto: R. HARLING.
Literatur