Vom Begriff zum Bild: Medienkultur nach Vilém Flusser
5.-7. Dezember 2012, Natal, Brasilien
Veranstalter
Universität von Natal (UFRN), Institut für Medienwissenschaft
in Kooperation mit dem Flusser-Archiv, Universität der Künste Berlin und dem Institut für Kommunikationsgeschichte und angewandte Kulturwissenschaften, Freie Universität Berlin
Organisation
Michael Manfred Hanke (Natal), Josimey Costa da Silva (Natal),
Maria da Conceição de Almeida (Natal), Angela Almeida (Natal),
Juciano de Sousa Lacerda (Natal), Maria Angela Pavan (Natal), Steffi Winkler (Berlin)
Unsere Kommunikation und damit unsere gesamte Welt sind seit längerem dabei, sich grundlegend zu verändern. Die rasante Beschleunigung führt infolge neuer und neuster Technologienzu einem radikalen Bruch. Durch die Informationsflut unserer globalisierten Medienwirklichkeit werden fundamentale Parameter unserer Lebenswelt beeinflußt: Zerstreute Fragmente in Gegenwart und Gleichzeitigkeit formatieren die Struktur der Dinge und das Denken selbst, verschieben die Bedeutung von Raum und Zeit. Unsere Medienkultur orientiert sich offenbar immer mehr an mosaikartigen Bildern und weniger an komplexen Begriffen. Technische Apparate und elektronische Gedächtnisse arbeiten daran, unser „Real Life“ bis in den virtuellen Raum auszudehnen. Dabei beginnt sich unser Verständnis von uns selbst und der Wirklichkeit massiv umzuformen.
Diese auf uns alle zukommende neue digitale Welt hat Vilém Flusser als einer der ersten philosophisch reflektiert und mit den Begriffen von Kommunikation, Informationsgesellschaft und Medienkultur als Krise der Linearität beschrieben. Der lineare und begrifflich geprägte Code (Schrift, Text, Buch) werde abgelöst durch einen bildhaft strukturierten Code, wie er uns in bewegten Bildern und von den Oberflächen der digitalen, technischen Apparate tagtäglich begegnet. Der Wandel unserer kulturellen Codes, unserer Denkstrukturen und unserer Welterklärungsmodelle durch die Technisierung der Gesellschaft war für Flusser irreversibel. Dabei konstituierejeder Code eine ihm eigene Denkweise, die die Wahrnehmung, Zeit- und Raumbegriffe sowie die in dieser Welt agierenden Subjekte präge. Gleichzeitig bilde er die Grundlage, auf denen die Denkmodelle der Wissenschaften, der Logik, der Kunst und der Politik operierten. Beeinflußt werde dieser Paradigmenwechsel, so Flusser, unter anderem durch die Vernetzung unserer Kommunikationskanäle und die Rolle des Computers als Auslagerung des Gedächtnisses. Flussers Kulturkritik in Form der positiven Utopie einer telematischen Gesellschaft erweist sich in vielem als erstaunlich aktuell.
Der Kongreß hinterfragt, inwiefern Flusser für die gegenwärtige Entwicklung (noch) einschlägige Einsichten und Denkanstöße vermittelt. Er richtet sich alle, die an medienphilosophischen Fragen interessiert sind und in der Theoriearbeit Vilém Flussers einen Bezugspunkt erkennen. In diesem Sinne wird gefragt: In welcher Beziehung stehen der lineare und der aus Punktelementen „komputierte“ Code zueinander? Verliert der lineare Code tatsächlich an Bedeutung? Gibt es Verbindungen zwischen dem linearen und dem bildlich strukturierten Code? Und wie steht es um die von Flusser vorhergesehenen Folgen, in positiver wie negativer Hinsicht, Möglichkeiten und Gefahren? Wie beeinflußt die Bedeutungsverschiebung von Raum und Zeit die Dimensionen des Handelns? Entspricht Flussers Diagnose der Ununterscheidbarkeit von Fakten und Fiktion der tatsächlichen Lage? Welche Beziehung besteht zwischen Flussers telematischer Gesellschaft und den heutigen sozialen Netzwerken? Welche empirischen Anwendungsmöglichkeiten und -felder eröffnet der Flussersche Ansatz? Und welche Bezüge zu anderen Autoren, Korrekturen und Ergänzungen wären angezeigt, welche Kritik gegen Flusser vorzubringen?
Da das philosophische Werk Flussers auf dem Dialog zwischen verschiedenen Disziplinen, Gesichtspunkten und Methodologien basiert, eröffnet sich eine erweiterte Perspektive der Beziehungen zwischen Wissenschaft und Kunst, Medienforschung und Ästhetik, alten und neuen Medien sowie Wahrnehmung und Denken durch Apparate (seien es fotografische oder andere Technologien). In einer den Kongreß begleitenden Ausstellung ist die kollektive Konstruktion vernetzter Bilder beabsichtigt, d.h. Panels, in denen Elemente und heterogene diskursive und perzeptive Formen zum Ausdruck kommen, informationeller, plastischer oder technologischer Art, die von Flussers Werk ausgehen und mögliche Beziehungen, inklusive einer poietischen Komponente, eröffnen.
Gemäß Flussers brasilianischer und deutschsprachiger Werkprägung versteht sich der Kongress als Teil der deutsch-brasilianischen Wissenschaftskooperation. Kongresssprachen sind Deutsch, Englisch, Portugiesisch.
Weitere Informationen auf www.flusser.com.br/de
Siehe auch Flusser-Archiv-Webseite
Webseite der Gesellschaft für Medienwissenschaften