Von Berlin nach New York
Dokumentation einer Freundschaft im Exil.
Der Briefwechsel zwischen Hermann Borchardt und George Grosz.
Gegenstand dieses Forschungs- und Editionsprojekts ist die Korrespondenz zwischen Hermann Borchardt und George Grosz, zwischen einem noch bis heute weithin unbekannten Schriftsteller und seinem engsten Freund, einem der berühmtesten deutschen Maler und Graphiker des letzten Jahrhunderts. Beide müssen Deutschland 1933 verlassen: Grosz emigriert ohne Umweg nach New York, Borchardt zunächst nach Frankreich, dann in die Sowjetunion, von dort zurück nach Deutschland, wo er bald als Remigrant festgenommen und in den Konzentrationslagern Esterwegen und Dachau inhaftiert wird, bis man ihn schließlich, mit Grosz‘ Hilfe, in die USA ausreisen läßt.
Der bislang zum größten Teil noch unveröffentlichte Briefwechsel, der sich über ein knappes Vierteljahrhundert erstreckt, von 1927 bis zu Borchardts Tod 1951, gehört zu den beeindruckendsten Zeugnissen des deutschen Exils. Ob seines Umfangs und seiner Dichte kann er als eine kontinuierliche Geschichte dieser Epoche in Originaldokumenten gelesen werden; auch ein Dokument nicht nur einer unverbrüchlichen Freundschaft in höchst unfreundlichen Zeiten, sondern der Lebenswege zweier Künstler, deren Flucht vor dem Nationalsozialismus zugleich eine Abkehr von ihrer als letztlich gescheitert angesehenen Arbeit in der Weimarer Republik bedeutet. In ihren überaus scharfsichtigen Beobachtungen, die sie sich in ihren Briefen vertraulich mitteilen, nehmen sie auf politische Befindlichkeiten keine Rücksicht. In oftmals sarkastischem, bisweilen spöttischem Ton bringen sie indes manches weit vorausschauende Urteil über ihre Epoche hervor: sei es über den Nationalsozialismus und Faschismus, den Stalinschen Sozialismus, die Illusionen der deutschen Emigranten oder das sogenannte bessere Deutschland, an das Borchardt und Grosz längst nicht mehr glauben mögen. Ihre Enttäuschung über die Katastrophengeschichte, die sich um sie herum ereignet, betrifft nicht zuletzt auch ihre Rolle als Künstler, die sie im Exil neu zu bestimmen suchen. Wobei das von Grosz in polemischem Gegensatz zum untergehenden Europa schwärmerisch besungene Amerika, das ihnen beiden schließlich das Leben rettet, insbesondere Borchardt ziemlich fremd bleibt.
Ziel der Forschungsarbeit ist die vollständige Edition dieses Briefwechsels mit umfangreichem Apparat, der neben einem detaillierten wissenschaftlichen Kommentar und einem großen erläuternden Essay auch unmittelbar dazugehörige Briefe von bzw. an dritte Personen sowie Borchardts Aufzeichnungen über seine Arbeit in der Sowjetunion und seine Haft im Konzentrationslager umfassen soll.
Der Briefwechsel ist nach über drei Jahren Forschungsarbeit zum Oktober 2019 im Wallstein Verlag in Göttingen als akte exil. neue folge Band 2 erschienen:
Hermann Borchardt/George Grosz: "Lass und das Kriegsbeil begraben!" Der Briefwechsel, hrsg. von Hermann Haarmann und Christoph Hesse unter Mitwirkung von Lukas Laier, Göttingen 2019
Link zur akte exil. neue folge
Link zur Rezension im Jahrbuch Exil Band 38
Link zur Rezension in der Süddeutschen Zeitung vom 25. Februar 2020
Link zur Rezension in der taz am wochenende vom 28./29. Dezember 2019
Link zum Tagesspiegel-Artikel vom 15. Dezember 2018
Lesung in der Akademie der Künste
Die Schauspieler Hermann Beyer und Kirsten Block lasen am 1. Dezember 2019 in der Akademie der Künste am Pariser Platz aus dem Briefwechsel von George Grosz und Hermann Borchardt. Der Briefwechsel wurde bei der Matinee erstmals öffentlich präsentiert. AdK-Archivdirektor Werner Heegewaldt begrüßte das Publikum, anschließend sprach Prof. Dr. Hermann Haarmann über die Entstehung der bei Wallstein erschienenen Briefedition. Kirsten Block las aus den Briefen von Hermann Borchardt, Hermann Beyer aus jenen von Grosz.
Link zum Bericht von Deutschlandfunk Kultur vom 7. Januar 2020