Das Instrumentalschaffen :

Unstrittig ist Vivaldis Bedeutung als Instrumentalkomponist - sie wurde bereits von den Zeitgenossen erkannt. Sein Schaffen umfaßt kammermusikalische Werke wie Solo- und Triosonaten, vor allem aber eine große Anzahl von Werken für ein oder mehrere Soloinstrumente und Orchester. Als seine wichtigste kompositionsgeschichtliche Leistung gilt, daß er maßgeblich an der Entwicklung der Gestaltung von Konzertsätzen für ein oder mehrere Soloinstrumente beteiligt war. Er fand eine Lösung, wie man relativ ausgedehnte Sätze nach einem effektiven Schema gestalten konnte, das trotzdem flexibel für individuelle Gestaltungsideen blieb. Der "Bauplan" eines typisch Vivaldischen Konzertsatzes besteht dabei zum einen aus Ritornellen des ganzen Ensembles (Tutti), die aus verschiedenen einzelnen Motiven geprägt sind; das Material, aus dem ein solches Ritornell besteht, kehrt im Satz zumindest in Teilen auf verschiedenen Tonstufen im Tutti wieder und bildet sozusagen die tragenden Säulen der Satzarchitektur. Zwischen diesen Säulen können sich nun die Solo-Episoden eines bzw. mehrerer Soloinstrumente frei entfalten. Diese Methode der Satzkonstruktion war so effektiv, daß sie als Modell von Vivaldis Zeitgenossen wie auch von den nachfolgenden Komponistengenerationen bei der Komposition von Instrumentalkonzerten aufgegriffen wurde. In seinen Vier Jahreszeiten hat Vivaldi selbst demonstriert, wie offen dieses Schema für originelle Ideen wie eben hier die programmusikalische Darstellung der Jahreszeiten war.

Auch wenn Vivaldis Werke nach seinem Tode rasch und ziemlich vollständig in Vergessenheit gerieten, hatte seine Gestaltungslösung für das Instrumentalkonzert Folgen bis in unser Jahrhundert hinein. Dies ist vielleicht auch ein Grund dafür, warum uns seine Instrumentalkonzerte - im Gegensatz zu seinen Vokalkompositionen für Theater und Kirche - viel unmittelbarer verständlich sind und so häufig gespielt werden. Ein zweiter Grund liegt darin, daß sich die Aufführungsbedingungen für die Konzerte mit der Emanzipation der Konzertform kontinuierlich verbessert haben, denn im Verlauf des 18. Jahrhunderts trat das Konzert aus dem exklusiven Bereich der fürstlichen Kammer heraus und wurde zunehmend in öffentlichen Aufführungen vor großem Publikum dargeboten. Noch bevor sich das heutige Konzertwesen (als Institution) etablierte, fanden Vivaldis Konzerte den Weg in vergleichbare Aufführungssituationen, indem er sie sowohl in der halb kirchlichen Umgebung des Ospedale della Pietà wie auch zwischen den Akten einer Opernaufführung im Theater darbot.

C.N.