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Kleiderordnungen:
Kleidung und Stellung in der Ständegesellschaft

"Kleiderordnung": eine kurze Definition
Kleiderordnungen: Motive und Entwicklung
Bezug zu den Vier Jahreszeiten

"Kleiderordnung": eine kurze Definition

Eine Definition des Begriffs Kleiderordnung von Liselotte Constanze Eisenbart:
Kleiderordnungen sind Verfügungen einer Obrigkeit über die Kleidung ihrer Untertanen. Sie wollen auf die Kleidung Einfluß nehmen, weil diese nicht nur Geschmack oder Reichtum des Menschen anzeigen kann, sondern auch seinen sozialen Standort repräsentiert und manchmal sein sittliches Wesen offenbart.

Kleiderordnungen: Motive und Entwicklung

Ohne das Auftauchen des Phänomens der Mode ("Mode" hier verstanden als kreatives, spielerisches Gestalten von Kleidung unter Abweichung vom bisher Gegebenen) in Europa im ausgehenden Hochmittelalter wären Kleiderordnungen vielleicht nicht nötig gewesen, zumindest aber hätten sie nicht der ständigen Revision und Erneuerung bedurft. Mit Fortschreiten der modischen Entwicklung fügten sich die Kleiderordnungen zunehmend in das Unausweichliche, machten immer häufiger Konzessionen an den unaufhaltsamen Lauf der Dinge.
Dennoch hielten sich Kleiderordnungen in Mitteleuropa bis ins 18. Jahrhundert. Für die Einführung und Überwachung von Kleiderordnungen gab es verschiedenartige Motive:

Aufrechterhaltung der Standesunterschiede
Ein "Stand" war eine feste Gruppe im sozialen Gefüge der Feudalgesellschaft. Die Zugehörigkeit zu einem Stand richtete sich nach Herkunft, Amt, Beruf und Vermögen. Im 14. und 15. Jahrhundert traten die freien, nicht adeligen Stadtbewohner als Bürger neben die alten Stände des Adeligen und des unfreien oder halbfreien Bauern. Zu dieser Zeit wurden Kleiderordnungen zu einem festen Bestandteil städtischer Verwaltungsgesetzgebung. Hierbei waren Inhalt und Einteilung der Kleiderordnungen von Stadt zu Stadt verschieden. Die städtischen Gesetzgeber sahen Kleiderordnungen als ein Mittel zur Ordnung, Gliederung und zum Erhalt der Festigkeit des innerstädtischen Sozialgefüges.

Wenn dieses Sozialgefüge auch von einer nicht unerheblichen sozialen Dynamik gekennzeichnet war, d.h. eine Fluktuation innerhalb der verschiedenen sozialen Gruppen durchaus möglich war, so bildeten sich doch festere Gefüge heraus. Es entstand eine Rangordnung der Berufsgruppen mit hierarchisch-statischen Zügen: die Zünfte. Mit der fortschreitenden Erstarrung der Zünfte wurde die Herkunft auch innerhalb dieser im Vergleich zum Adel jungen sozialen Gruppen wichtiger als Fähigkeit und Leistung. Die Kleiderordnungen trugen durch die in ihnen enthaltenen Restriktionen zur weiteren Verfestigung der Zünfte bei. Das führende Stadtpatriziat und die Handwerksmeister achteten streng auf die Einhaltung der Kleiderordnungen. In bis zu acht Stufen gliederten sie allein die Gruppe der Bürger [Brost, 92]. Meist aber wurde lediglich eine Unterscheidung von Patriziat, Handwerksmeistern, einfachen Bürgern und Stadtarmut gemacht.

Einschränkung von Luxus
Bei der Funktion von Kleiderordnungen als Mittel zur Einschränkung von Luxus sind zwei Aspekte zu beachten: als "vergleichsweise zu großer Aufwand" störte der Luxus die gesellschaftliche Ordnung, als "Verschwendung" die wirtschafliche.

Der gesellschaftliche Aspekt des Luxus spielte eine besonders große Rolle in den Kleiderordnungen des 16. und 17. Jahrhunderts. Hierbei berücksichtigte man nicht die finanziellen Verhältnisse des Einzelnen. Vielmehr wurde nach Ständen oft bis ins Kleinste festgelegt, was die Menschen zu tragen hatten. Die Gesetzgeber legten quasi fest, was sich die Bürger leisten durften:
"Die Frau eines Handwerkers, und war er noch so wohlhabend, hatte eben nicht das Bedürfnis, einen Muff aus Zobelpelz zu haben, denn Zobel war den höchsten Ständen vorbehalten."
[Eisenbart, 65]
Hier tritt die Funktion von Kleiderordnungen als Mittel zur Einhaltung und Festigung ständischer Schranken klar hervor.

Der wirtschaftliche Aspekt beinhaltete den folgenden Gedankengang: der Wohlstand der Gemeinschaft beruht auf dem Wohlstand des Einzelnen. Dieser läßt sich am besten bewahren durch gleichmäßige und eingeschränkte Lebenshaltung.

Nach 1500 wurden immer weniger Kleidungsstücke erwähnt, dafür nahm die Zahl der verbotenen oder eingeschränkten Stoffe, Pelze und Schmucksachen zu. Kleiderordnungen wurde zu "Stoffordnungen" [Eisenbart, 69].

Konservatismus
Der Konservatismus als Wille, Althergebrachtes zu erhalten und "verderblichen Neuerungen" entgegenzuwirken ist ein durchgehendes und wesentliches Merkmal von Kleiderordnungen. Trotz aller Klagen über die Vergeblichkeit von Kleiderordnungen gerade als Instrument zur Verhinderung modischer Innovationen gab man jahrhundertelang den Versuch nicht auf, jede Neuerung in Zuschnitt und Verarbeitung von Stoffen durch detaillierte Bestimmungen zu verhindern. Diese Verbote richteten sich nicht nur gegen jene, die neuartige Kleidung zu tragen beabsichtigten, sondern auch gegen jene, die sie herstellten. Ein Schneider, der "verbotene" Schnitte und Stoffe verarbeitete, konnte mit harten Strafen belegt werden.

Ein neues Wort, das im 16. Jahrhundert aus Italien eingeführt worden war, bezeichnete den Inbegriff dessen, wogegen sich der Konservatismus der Kleiderordnungen richtete: die Mode.
Mit der immer stärkeren Zugkraft und Attraktivität dieser Neuerungen machten viele Kleiderordnungen Zugeständnisse an den unaufhaltsamen Prozeß kreativer Weiterentwicklung.

Sittlichkeitsempfinden
Der Aspekt des Sittlichkeitsempfindens ist eng verbunden mit dem des Konservatismus. Die gesetzgebende Obrigkeit sah sich verpflichtet, ihre Untertanen vor Unsittlichkeit zu schützen.

Es gab Kleidungsstücke, denen ein generelles Verbot zuteil wurde. Wenn sie als unehrbar, unkeusch oder gar sittengefährdend angesehen wurden, wenn Kleidungsstücke das Gefühl für Schicklichkeit verletzten, sah es die Obrigkeit als ihre Pflicht an, durch Verbote zu verhindern, daß ihre Untertanen in Versuchung geführt würden. Ein weiterer zentraler Begriff hierbei war die "Hoffart", gemeint als bürgerliche Hoffart. Dieser Neigung der Bürger, sich "über ihre Verhältnisse" zu kleiden um ihrem Selbstbewußtsein gegenüber höheren Ständen Ausdruck zu verleihen, galt es durch genaueste Regelung und Kontrolle Einhalt zu gebieten.

Bezug zu den Vier Jahreszeiten

Auch auf den Vier Jahreszeiten lassen sich deutliche Unterschiede in Bezug auf den augenscheinlichen Wert der Kleidung ausmachen. Momper malte in einer Zeit, in der vor allem im reichen Holland das Bürgertum den Großteil des Adels an Reichtum weit übetraf. "Feine Stoffe und Pelze, die ein Patrizier trug, konnten sich Ritter und Landadel nicht mehr leisten" [Brost, 92] .

Andererseits waren die sozialen Unterschiede in der Kleidung in der Renaissance-Zeit durch den Einfluß der Reformation geringer denn je gewesen [Thiel, 182]. Hatte die Reformation auch auf den Süden Hollands weit weniger eingewirkt als auf den Norden, so hatte sich doch eine irreversible Umwälzung auch hier durchgesetzt: der Anspruch der arbeitenden Schichten, an der modischen Entwicklung teilzuhaben.