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Kleidung und Beruf

Von der Bekleidung der meisten Figuren auf Mompers Vier Jahreszeiten kann der Betrachter nur indirekt auf ihre beruflicheTätigkeit oder Funktion in der Gesellschaft schließen. Entweder tragen die Figuren "Freizeitkleidung" (wie die bürgerlichen Ausflügler auf dem Sommerbild), oder sie gehören den unteren Ständen an (wie die Bauern im Herbstbild), so daß die bei der Arbeit getragene Kleidung ihre Alltagskleidung ist. Doch es gibt Ausnahmen.

Zwei dominikanische Bettelmönche
Ein Zeitungsmann im 17. Jahrhundert:
Der Flugschriftenverkäufer
Ein Jagdaufseher?
Auffällige Kleidung: Die Soldaten
Würdevoll gewandet: die Lehrer

Auf dem Frühlingsbild finden sich in der Mitte zwei ganz in Weiß gekleidete Figuren, die unschwer als Angehörige des Klerus zu erkennen sind. Allerdings handelt es sich bei den beiden nicht um hochstehende Vertreter des geistlichen Standes, sondern um dominikanische Bettelmönche. [F]

Der Flugschriftenverkäufer auf dem Winterbild läßt seinen Beruf weniger an seiner Kleidung erkennen. Diese mag zwar etwas auffälliger sein als die des durchschnittlichen Mannes (man betrachte seinen verwegenen Hut), doch seine Funktion wird erst an Attributen erkennbar. Im Arm trägt er einen Stapel Flugblätter, in der linken Hand einen Stab, auf dem mehrere Blätter aufgespießt sind.
Durch die Erfindung des Buchdrucks war die Vervielfältigung von Schriften einfacher und preiswerter geworden. Die seit dem Hochmittelalter bestehende Tendenz zunehmender Schriftlichkeit und Alphabetisierung war verstärkt worden. Die Flugschriften enthielten eine Ansammlung mehr oder weniger aktueller Neuigkeiten zu verschiedenen zeitgenössischen Themen. Neben politischen Ereignissen hatten hier auch Kommentar und Satire Platz. Auch Kleidung war Thema, soweit sie von gesellschaftlichem Interesse war und den "Zeitgeist" wiederspiegelte.
Wer Flugschriften kaufte, wollte sich nicht über Neues aus der Region informieren. Das erfuhr man einfacher und aktueller am Hafen oder auf dem Markt. Vielmehr suchten die Käufer von Flugblättern Nachrichten aus ferneren Gebieten, die ihnen sonst nur schwer zugänglich waren.
Druck und Verkauf solcher Flugschriften können als direkter Vorgänger des Zeitungswesens gewertet werden.
[W]

Die Aufgabe dieses Mannes läßt sich nicht direkt erschließen. Dennoch ist man versucht, hinter der grün gekleideten Gestalt mit ihren festen Lederhandschuhen und Stiefeln vielleicht einen Jagd- oder Forstaufseher zu vermuten. Die Tatsache, daß seine Kleidung sich farblich von der der Bauern absetzt und er nicht in einen Arbeitsprozeß eingebunden ist, sondern eher "des Weges" zu kommen scheint, bestärkt diese Vermutung. Auch der Hund, der den Mann auf dem Frühlingsbild begleitet, deutet auf eine aufseherische Tätigkeit hin. Eine eindeutige Zuordnung ist jedoch nicht möglich. [F]

Die Landsknechte waren es, die seit dem ausgehenden Mittelalter die lebendigsten Impulse in der Weiterentwicklung europäischer Kleidungsstile setzten. Sie veränderten ihre auffällige, bunte Kleidung oft bis zur Unkenntlichkeit. Ihnen wird die Erfindung der "Schlitzmode" zugeschrieben [Thiel, 179]. Anfangs für größere Bewegungsfreiheit gedacht, entwickelten sich die bunt unternähten Schlitze zum dominierenden Dekorationselement europäischer Mode, auch in höfischen und bürgerlichen Schichten [Thiel, 179f]. Ein gutes Beispiel für bis zur Unkenntlichkeit geschlitzte Kleidung ist die schwerlich als solche zu erkennende Hose, die der rechte der beiden trägt. Damit stießen die Landsknechte oft auf Unverständnis und Abneigung, wurden aber bei Verstößen gegen Kleiderordnungen selten zur Rechenschaft gezogen. Andererseits adaptierten die höheren Stände häufig, wenn auch weniger ausgeprägt, den Landsknechtstil und schöpften so aus der Kreativität der Kriegsmänner. [W]

Im Gegensatz zu Deutschland und dem Norden der Niederlande hatte sich die Reformation im Süden Hollands kaum auf die Kleidung der Gelehrten an Schulen und Universitäten ausgewirkt. In Deutschland bevorzugten Lehrer und Professoren statt Tunika und Birett seit der Mitte des 16. Jahrhunderts Schaube (ein weiter, hüft-oder knielanger Umhang mit meist reich verzierten und geschlitzten Ärmeln) und Barett, also bürgerliche Kleidung. Mit immer neuen Ordnungen wurde versucht, dem Kleidungswirrwarr an den Lehranstalten ein Ende zu setzen [Bringemeier 1974, 71]. Die beiden Lehrer, die auf dem Winterbild de Mompers ihre Schüler aus der Stadt führen, tragen hingegen noch die traditionelle Gelehrtenkleidung: eine geschlossene Tunika mit Kragen. Der linke der beiden hat ein Birett auf dem Kopf, das seit der Renaissance traditionelles Zeichen der Gelehrten war. Tunika, Kragen und Birett waren vor der Reformation in ganz Europa die Tracht der Lehrer und Professoren gewesen, unterschieden lediglich in Form des Biretts und Farbe der Stoffe. [W]