Stichwort "Phosphat"
Teil 2: Welche Bedeutung hat Phosphor aus heutiger Sicht?
Text: Thorsten Luther und Ernst Pawlowski
Quelle: http://aqua-online.de/meerwasser/4-98.htm
Anmerkung: Diese Quelle ist inzwischen leider aus dem WWW verschwunden. Unter der Adresse http://www.aquaristic.net/de/magazin/Meerwasser/Nitrat_im_Meerwasseraquarium_1/nitrat_im_meerwasseraquarium_1.html findet sich aber ein Artikel über Nitrat.
Im ersten Teil unseres Artikels in der Novemberausgabe 1997 haben wir uns mit aktuellen praktischen Aspekten des Phosphates beschäftigt. In diesem zweiten Teil wollen wir unseren derzeitigen Wissens- und Erfahrungsstand zum Thema Phosphor und seine Bedeutung im Riff aufzeigen.
Phosphor im Meerwasser |
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Durch unsere Bemühungen, mit engagierten
Meerwasser-Aquarianern Wissen auszutauschen, haben wir mit der
Zeit viele sehr gute und einige erstklassige Riffaquarien
kennengelernt. Obwohl jeder Pfleger seinen eigenen Weg geht,
haben wir versucht herauszufinden, welche Gemeinsamkeiten diese
hervorragenden Riffaquarien auszeichnet. Anhand durchgeführter
Wasseranalysen kristallisierte sich dann ein sehr niedriger
Phosphatgehalt als übereinstimmender Parameter aller besonders
gut gedeihender Riffaquarien heraus. In allen Spitzenbecken lag
der Phosphatgehalt (Meßmethode im nächsten Teil) eindeutig
unter der Nachweisgrenze von 0,046 mg/l, meist tendierte er nach
0; d. h. der wahre Wert wird bei ca. 0,01 bis 0,02 mg/l Phosphat
gelegen haben. Das ist fast um das Zehnfache unter der
Nachweisgrenze üblicher Aquarientests, deren Meßwerte bei 0,1
mg Phosphat pro Liter beginnen.
Zusätzlich war es beeindruckend zu beobachten, wie dramatisch
positiv sich Riffbecken entwickelten, deren vorher erhöhter
Phosphatgehalt gezielt abgesenkt wurde. Vieles deutet darauf hin,
daß nicht das Nitrat, sondern das Phosphat der
"Bösewicht" im Riffaquanum ist, den es zu vermeiden
gilt. Die Zusammenhänge zum Algen- und Korallenwachstum werden
unten noch ausgiebieg diskutiert. Wichtig erscheint uns jedoch,
daß die regelmäßige Kontrolle des Phosphatgehaltes zu den
Standardmaßnahmen an jedem Riffaquaum gehört. Die Gespräche
mit vielen Riffaquannern zeigen leider, daß meistens noch nicht
einmal ein Phosphattest vorhanden ist. Vor diesem Hintergrund
sind auch Artikel über Algenplagen zu sehen. Der in diesem
Magazin erschienene Beicht von GESSERT (1997) zum Thema
"Algenlage" läßt vermuten, daß kein Phosphattest
durchgeführt wurde. Eine Rückfrage bei GESSERT (pers. Mtlg.)
bestätigte diese Vermutung. Genau hier liegt aber meist die
Ursache übermäßigen Algenwachstums, das sich durch
regelmäßige Konrollen und darauf gestützte Maßnahmen vermeien
läßt.
Für den Fortgang dieses Artikels ist es wichtig zu
berücksichtigen, daß Phosphor nicht nur eine unerwünschte
Verunreinigung des natürlichen oder aquaristischen Meerwassers
ist, sondern auch ein unverzichtbarer Bestandteil alles
Lebendigen ist. Sowohl im Energiestoffwechsel als auch beim
Aufbau der Erbsubstanz spielen Phosphorverbindungen in jeder
Zelle aller Organismen eine zentrale Rolle. Geringe Mengen
Phosphor werden also von allen Lebewesen gebraucht und in eigene
Verbindungen eingebaut. Beim Zerfall und Abbau dieser Organismen
werden dann allerdings diese Phosphorverbindungen auch wieder
frei.
Phosphor im Korallenriff.
Die Beschäftigung mit den Zustandsformen und Wegen des
Phosphors im Korallenriff brachte ein sehr diffuses Bild an den
Tag. Bei der Lektüre wissenschaftlicher Literatur zeigt sich
nämlich sehr schnell, daß es bis heute noch keine einheitliche
und vollständige Vorstellung bei den Wissenschaftlern gibt, wie
Phosphor in offenen oder geschlossenen Stoffkreisläufen
zirkuliert. Die aktuellsten Zusammenfassungen findet man wohl bei
D´ELIA (1988) und SOROKIN (1992). Besonders SOROKIN ist eine
wahre Fundgrube für alle Riffaquarianer, die des Englischen
mächtig sind.
Tatsächlich besteht das Wissen aus Bruchstücken, die man
versucht, durch vermutete Zusammenhänge zu verbinden. Allerdings
sind diese vermuteten Zusammenhänge meist weder qualitativ und
noch weniger quantitativ bewiesen. Gerade in der ökologischen
Erforschung des Korallenriffes sind Stoffbilanzen, d. h.
quantifizierte Ergebnisse, von großer Bedeutung. Bezüglich des
Phosphors kennt man aber in erster Linie verschiedene
Zustandsformen in unterschiedlichen Bereichen des Riffes,
gesicherte Erkenntnis über die Wege gibt es bisher kaum.
Die in der aquaristischen Literatur enthaltenen Schemata sind
also mit großer Vorsicht zu betrachten. Sie sind nicht
notwendigerweise falsch, sagen aber nichts über die
tatsächliche Bedeutung einzelner Komponenten und der
Verbindungswege aus. Wir können in diesem Artikel die uns
wichtig erscheinenden Punkte über Phosphor im Riff nur
auszugsweise diskutieren. Ansonsten verweisen wir auf die Bücher
von NILSEN & FOSSA (1992) und DELBEEK & SPRUNG (1996).
Bekannt sind uns Aquarianern die sehr geringen Mengen
anorganischen gelösten Phosphors (DIF) im Wasser der
Korallenriffe. Eine Übersicht über die verschiedenen Vorkommen
des Phosphors gibt die schematische Darstellung auf dieser Seite.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, bei der Quantifizierung
des Phosphors begrifflich vom Phosphat weg- und zum Phosphor
hinzugehen. Das ist deshalb von Bedeutung, weil man z.B. bei
organisch gebundenem Phosphor nicht von "Phosphaten"
sprechen kann. Dafür kann man den Phosphor leichter bilanzieren,
da aus 1 ug DOP durch Zeffall und bakteriellen Abbau genau 1 ug
DIP entsteht.
Trotz der sehr geringen DIP-Werte gehören die Korallenriffe
weltweit zu den Biotopen mit der höchsten Primärproduktion,
d.h. mit der größten Bildung pflanzlicher Biomasse durch
verschiedenste Mikro- und Makroalgen, Korallen mit ihren
symbiotischen Algen und Seegräsern. Betrachtet man zusätzlich
noch die im Wasser gelösten organischen Phosphorverbindungen
(DOP), so zeigt sich, daß im Riff ein etwa gleich großer Pool
an organischem Phosphor vorliegt wie beim DIP. Man sieht, daß
der Gehalt an gelösten organischen Phosphorverbindungen im
Bereich der Korallenriffe bis zehnfach höher liegen kann als im
umgebenden offenen Meer. Diese Situation entsteht durch das
starke Wachstum von Algen und Korallen, die entweder P-haltige
Substanzen ausscheiden oder selbst zersetzt werden. Viele
Organismen können neben dem DIP auch diesen organisch gebundenen
Phosphor nutzen.
Einen deutlich höheren P-Gehalt hat das Wasser des
Lückensystems der oberen Schichten der Sedimente, d.h. des
Bodengrundes. Von ENTSCH et al. (1983) wurden entsprechende
Untersuchungen durchgeführt. Diese deutlich erhöhten P-Gehalte
des Bodengrundwassers kommen erstaunlicherweise aber nur dem
Bewuchs des Bodengrundes zu Gute, da ein Nettoaustausch mit dem
freien Wasser nicht nachgewiesen werden konnte, solange die
Sedimente nicht aufgewirbelt werden.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Phosphorgehalt
der Bodengrundsedimente. ENTSCH et al. fanden einen
vergleichsweise konstanten Gehalt von im Mittel ca. 250 mg P/kg
Sediment (von 210 bis 530 mg/kg). Dieser Phosphor liegt
überwiegend als anorganisches Phosphat gebunden im
Calciumcarbonat vor. Proben, die im Abstand von 1 m bis in 5 m
Tiefe gezogen wurden, zeigten dabei Werte zwischen 230 und 280 mg
P/kg Sediment, d.h. daß dieser Phosphor dauerhaft im Sediment
festgelegt ist und vermutlich nicht mehr für die Algen und
Korallen zur Verfügung steht.
Auf der Suche nach der Herkunft dieser Phosphate haben ENTSCH et
al. Skelette von Korallen und Pfennigalgen der Gattung Halimeda untersucht.
Die Korallenskelette wiesen im Mittel einen P-Gehalt von 15-150
mg P/kg, mit einem Spitzenwert von 500 mg P/kg Skelettmaterial
auf. Auch CHEVALIER (1987) gibt den P-Gehalt von
Korallenskeletten mit ähnlichen Werten bis 500 mg P/kg an und
auch unsere eigenen Messungen von ca. 250 mg P04/kg bzw. ca. 80
mg P/kg (vgl. Teil 1) liegen ja in diesem Bereich. Bei Halimeda
Algen waren es 100-330 mg P/kg Skelettmaterial. Da die
vollständigen Algen einen P-Gehalt von 150-520 mg P/kg hatten,
läßt sich leicht vorstellen, daß der P-Gehalt der Sedimente
wesentlich aus dem P-Gehalt der Kalkskelette sowie biologischem
Abbau organischen Materials herrührt.
Einige Untersuchungen sind zur Aufnahme/Abgabe von anorganischem
Phosphat durch Korallen gemacht worden. Die Verwendung von
radioaktiven Phosphorisotopen ermöglichte eine getrennte
Beobachtung von P-Aufnahme, P-Abgabe und Gesamtbilanz (SOROKIN,
1992). Dabei zeigte sich, daß Aufnahme und Abgabe gleichzeitig
stattfinden, jedoch vom anorganischen P-Gehalt des
Umgebungswassers abhängig sind. Eine positive Nettoaufnahme als
Indiz für die Nährstoffversorgung und damit auch das Wachstum
der Korallen ist dabei nur oberhalb einer Untergrenze möglich.
Wird diese unterschritten, verliert die Koralle Phosphor an das
Umgebungswasser und das Wachstum stagniert. Diese Untergrenze ist
dabei anscheinend von Art zu Art verschieden. So hatte Acropora
squamosa bei 5 ug P/l noch eine positive Nettoaufnahme,
während bei Stylophora
pistillata bei gleichem P-Gehalt des Wassers schon die
Abgabe überwog. Pocillopora
damicornis zeigte erst bei 1,9 ug P/l leichte
Gesamtverluste.
Bei Untersuchungen an Stylophora spp. sind die
beobachteten Nettoaufnahmen zusätzlich umgerechnet worden auf
die P-Aufnahme pro m2 und Tag (siehe Tabelle unten). Nimmt man
jetzt für ein Rechenbeispiel eine Skelettbildung von 4 kg/m2 x
Jahr sowie den vollständigen Einbau des netto aufgenommenen
Phosphors in das Kalkskelett an, so erhält man mit den Werten
der mittleren Zeile einen P-Gehalt dieses Skelettes von 447 mg
P/kg. Dieser Wert liegt größenordnungsmäßig durchaus im
Bereich der beobachteten P-Gehalte untersuchter Korallenskelette
(s. o.). Leider gibt es bisher wohl keine Arbeiten, die den
Zusammenhang zwischen P-Aufnahme und Wachstumsrate bzw.
Kalkabscheidung untersuchen.
Weitere Untersuchungen haben gezeigt, daß eine Steigerung der
P-Nettoaufnahme nur bis zu einem bestimmten oberen Gehalt des
Umgebungswassers an anorganischem Phosphor stattfindet, bei Pocillopora
damicornis etwa 9-10 ug P/l. Oberhalb dieses Wertes
profitieren die Korallen in ihrer Nettoaufnahme nicht mehr von
einem vergrößerten P-Angebot. Diese Beobachtungen decken sich
mit Aquarienbeobachtungen, die zeigen, daß die Wachstumsrate bei
erhöhten Phosphatgehalten nicht mehr zunimmt. Im Gegenteil, nach
den Untersuchungen von SIMKISS (1964) hemmen erhöhte P-Gehalte
die Kalkabscheidung. SIMKISS diskutiert die Hypothese des
"crystal poison", des Kristallisationsgiftes. Dieses
hemmt die Kalkabscheidung dadurch, daß es sich an Stelle der
Carbonat-Ionen an die Calcium-Ionen des bestehenden
Kristallgitters anlegt und so ein Weiterwachsen des Kalkkristalls
verhindert.
Als Kristallisationsgifte, die auch schon bei sehr niedrigen
Konzentrationen wirken, kommen organische Phosphorverbindungen in
Frage. Die hemmende Wirkung beginnt bei den untersuchten
Verbindungen schon bei Konzentrationsbereichen unter 7 ug P/l.
Das ist ein Wert, der vollim Bereich der DOP-Werte des Wassers
eines Korallenriffes liegt. Aber auch außerhalb der Riffe ist
der DOP-Gehalt nicht weit von 7 ug P/l entfernt. SIMKISS sieht
hier eine mögliche Erklärung für die Übersättigung
tropischen Meerwassers mit Calciumcarbonat, da der DOP-Gehalt die
Ausfällung behindern könnte.
Aber auch anorganisches ortho-Phosphat hat stark hemmende
Wirkungen auf Kalkabscheidungen. Im synthetischen Meerwasser ohne
organische Beimengungen wurde die Calciumcarbonatausfällung bei
Konzentrationen von ca. 300 ugP/l vollständig unterbunden.
Dieser Wert lieg deutlich oberhalb der DIP-Werte des Wassers
innerhalb und außerhalb der Riffe. Es wird nicht weiter
angegeben, in wieweit geringere ortho-Phosphatkonzentrationen
einen hemmenden Einfluß haben (300 ug P/l sind knapp 1,0 mg
P04/l ein Wert, der in manchen Riffaquarien durchau zu finden
ist).
Aus den verschiedenen zitierten Untersuchungen ist deutlich zu
sehen, daß Phosphor im Riff nur in einem engen
Konzentrationsbereich vorkommt, dessen Unter- oder
Überschreitung weitreichende Konsequenzen hat.
P-Gehalt des Umgebungswassers in ug P/l | P-Nettoaufnahme in ug P/kg x h | P-Nettoaufnahme in ug P/m2 x d |
31 | 78,6 | 11300 |
10,85 | 22,9 | 4900 |
4,96 | 1,2 | 200 |
Nährstoffbegrenzung im Riff
Zum Abschluß dieses Abschnittes wollen wir noch
kurz darauf eingehen, welcher Nährstoff der begrenzende Faktor
im Riff ist. Ganz sicher sind sich die Wissenschaftler dabei
nicht, aber vieles spricht dafür, daß es nicht Stickstoff ist.
Da Stickstoff in den Stickstoffkreislauf des Riffs durch
Stickstofffixierende Blaualgen eingetragen wird und die Riffe
gleichzeitig Netto-Exporteure für Stickstoff sind, gilt
Stickstoff nicht als begrenzender Faktor.
Dafür wird die Annahme, daß Phosphor derbegrenzende Faktor ist,
z. B. durch den Umstand gestützt, daß die Algen des Riffs ein
sehr großes Stickstoff-zu-Phosphor-Verhältnis haben, d. h. daß
auf ein Phosphoratom viel mehr Stickstoffatome kommen als z.B.
bei Planktonalgen üblich. ENTSCH gibt dazu einige
Untersuchungsergebnisse für Riffalgen:
- 24:1 als kleinstes Verhältnis bei einer Makroalge,
- um 40 :1 für die Mehrzahl der Algen, einschließich Blaualgen,
- 70 :1 als Maximalwert bei einer Blaualge. Planktonalgen haben
statt dessen meist ein Verhältnis, das sich 15 :1 annähert,
d.h. sie sind deutlich besser mit Phosphor versorgt. Das
Verhältnis 70 : 1 deutet auf einen sehr starken Phosphormangel
hin und auch bei Werten um 40 : 1 wird von Phosphormangel
ausgegangen. Damit sind viele Lebensvorgänge in gesunden Riffen
letztlich phosphorbegrenzt.
Im Teil 3 werden wir uns mit Phosphor im Aquarium befassen
Dieser Bericht wurde uns mit freundlicher
Genehmigung vom Birgit Schmettkamp Verlag zur Verfügung
gestellt. Sie finden Ihn auch in der Ausgabe 02/98 der Zeitschrift "das Aquarium" |