Korallenriffe: 500 Millionen Jahre erfolgreich,

heute vom Aussterben bedroht!

 

 

Faszinierende Häuslebauer

Steinkorallen bilden ein massives Kalkskelett und sind im Tierreich damit hervorragende Häusle- und Städtebauer unter Wasser. Weitere Organismen unterstützen die Korallen beim Unter-wasserstädtebau und bei der Gebäudeinstandhaltung: Kalkrotalgen sind für den Kalkverputz verantwortlich, Mikroben verkitten unzugängliche Mauerlücken mit steinhartem Zement. Die Korallengebäude haben viele Stockwerke und werden von einer enormen Zahl von Tieren und Pflanzen, wie Fischen, Muscheln, Schnecken, Seeigeln, Weichkorallen, Seeanemonen und Algen bewohnt.

 

Faszinierend und für unsere Begriffe supermodern ist dabei, wie sich diese Stadt effektiv selbst versorgt und am Leben erhält. Viele Berufe sind dazu notwendig: Algen, die in Lebensgemeinschaft mit den Korallen leben, bilden Sonnenkraftwerke und liefern die notwendige Energie für das Wachstum der Korallen. Die Abfallstoffe der Korallen, aber auch anderer Riffbewohner werden sofort wieder durch die Algen recycelt. Weichalgen wachsen auf den Riffgebäuden besonders gerne, müssen aber regelmäßig durch grasende Riffische, Schnecken und Seeigel abgemäht werden, damit sie nicht alles andere überwuchern. Das Wasser wird ständig von Schwämmen gefiltert und damit saubergehalten. Einsiedlerkrebse und Seegurken gehören zur Brigade der Müllabfuhr.

 

Selbst einen Zahnarzt gibt es im Riff: Putzerfische und Putzergarnelen haben an bestimmten Stellen im Riff ihre Praxis eröffnet. Dorthin kommen große Riffische, um sich Parasiten und Nahrungsreste aus den Zähnen entfernen zu lassen. Im Zahnarztberuf gibt es aber auch einige schwarze Schafe: Manche Schleimfische sehen aus wie Putzerfische und werden deshalb auch von Zahnpatienten aufgesucht. Schleimfische beißen dann aber blitzschnell Wunden in die geleimten Patienten und verschwinden so rasch wie möglich wieder.

 

Alle Riffische sind so begeistert vom Lebensraum Riff, daß sie sich Apartments teilen und in Schichten arbeiten müssen. Tagsüber schlafen nachtaktive Fische in den vieltausendfach vorhandenen kleinen und großen Riffhöhlen, nachts gehen sie dem Nahrungserwerb nach und überlassen ihre Zimmerchen der tagaktiven Schicht zum Ausruhen. Auch das Umland profitiert von der Unterwasserstadt Riff: vom offenen Meer und von den Lagunen kommen Raubfische wie Haie und Barrakudas, um sich im Riff zu ernähren.

 

Eine faszinierende Unterwasserwelt, von der mancher Städteplaner etwas lernen kann! Übrigens gab es auch echte schwäbische Unterwasserhäuslebauer: vor 150 Millionen Jahren bildeten Steinschwämme, Steinkorallen und Mikroben Riffe, die heute auf dem Trockenen liegen und in der Schwäbischen Alb beeindruckende Felsformationen, wie z.B. im oberen Donautal zurückließen. Auch viele andere fossile Riffe gibt es in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

 

 

Korallenriffe sind für die Menschheit enorm wichtig

Korallenriffe beherbergen, so schätzt man, bis zu einer Million Tier- und Pflanzenarten. Sie bilden zusammen mit den tropischen Regenwäldern die artenreichsten Ökosysteme der Erde. Der Mensch profitiert in unglaublich vielfältiger Weise von diesen Riffen, ohne daß es den meisten von uns bewußt ist:

 

 

Die Gefährdung der Riffe durch den Menschen: Unter Wasser sieht's ja keiner!

 

Die immense Bedeutung der Riffe für den Menschen wäre Grund genug, mit unseren Riffen pfleglich umzugehen. Obwohl es Korallenriffe seit 500 Millionen Jahren (und einfachere Rifftypen bereits seit 3 Milliarden Jahren!) gibt, sind Riffe aber ernsthaft bedroht. Die schönen Korallenriff-Kalenderbilder oder Bildbände täuschen über den bedrohlichen Zustand unserer Riffe hinweg. Nach ernstzunehmenden Schätzungen sind bereits 10% aller Riffe unrettbar verloren, weitere 30-60% aller Riffe werden die nächsten 20 Jahre nicht überleben, wenn sich an der menschengemachten Umweltzerstörung nichts grundsätzliches ändert.

 

Die Hauptgefahren für unsere Riffe liegen hier:

Küstenbesiedlung und sogenannte Kultivierung führt zu enormem Eintrag von Schlamm- und Schlickpartikeln in die Meere und gefährdet die Riffe, die derartiges nicht vertragen. Dabei muß dies nicht einmal alles direkt an den Küsten passieren. Regenwaldabholzung führt zur verstärkten Abwaschung des Bodens. Das Bodenmaterial gelangt dann mit Flüssen wiederum in die Riffregionen. Abwässer führen zur Überdüngung der Riffe. Weichalgen überwuchern dann alles und die Riffe sterben ab. In vielen Ländern werden Riffe als Steinbruch mißbraucht und komplett abgebaut.

Schädliche Fischereimethoden, wie Dynamit- und Blausäurefischerei, aber auch die generelle Überfischung zerstören die Riffe. Fehlen die Fische, fehlt auch ein wichtiger Teil der Rasenmäher-Arbeiter und Weichalgen werden wiederum die Riffe überwuchern.

Nicht umweltgerechter Tourismus stellt ebenfalls eine große Gefahr dar: Fischfütterungen bringen die delikaten Gleichgewichte im Riff durcheinander, Ankerwerfen zerstört große Riffareale, Berühren und Abbrechen von Korallen unter Wasser ist schädigend, Souvenirkauf fördert die Ausbeutung von Rifforganismen, Hotelkomplexe können durch Abwässer und Salzlaugeneinleitung aus Entsalzungsanlagen ebenfalls Riffe großflächig abtöten. Vielleicht die größte Gefahr entsteht aber durch den menschengemachten Treibhauseffekt, der die Korallen unter Temperaturstreß und letztendlich zum Absterben bringt.

 

Auswege aus dem Dilemma

Die Einrichtung von Riffparks und umweltverträglicher Tourismus stellt eine Chance nicht nur für die Riffe, sondern auch für die sich durch Überfischung und Gewinnung von Riffsouvenirs sich ihrer eigenen Lebensgrundlagen beraubenden Riffanrainer-Bevölkerung dar. Auch Küstenbebauung und Kultivierung können umweltgerecht betrieben werden. Hier sind Umweltorganisationen, Politiker, insbesondere aber alternative Projekte vor Ort unter der Einbindung der einheimischen Bevölkerung gefragt. Aber auch jeder einzelne kann viel zum Riffschutz beitragen:

Beim Urlaub in Riffregionen (z.B. Rotes Meer, Karibik, Malediven, Südsee) sollten Sie übermäßigen Wasser- und Energieverbrauch vermeiden, keine Meerestiere als Souvenirs kaufen, nur auf gut geführte Tauch- und Schnorchelgänge gehen, bei denen nur Ankerbojen verwendet werden und keinen schädigenden Motorwassersport unternehmen. Sie können auch Hotelmanager und Reise-veranstalter zu Schutzmaßnahmen veran-lassen, indem Sie klarmachen, daß geschädigte Riffe für Sie uninteressant sind.

Zu Hause sollten Sie auch den Riffen zuliebe Ihren Energieverbrauch sowie Ihren Müllanfall reduzieren (Müll aus Industrieländern wird manchmal bis in Riffregionen transportiert; Energie-ver-brauch heizt den riffschädigenden Treib-hauseffekt an). Außerdem können Sie alternative Nahrungsmittelerzeuger mit ökologischen Anbau- und Zuchtmethoden unterstützen.

Es hängt auch von Ihnen ab, ob die Riffe weiterhin eine Chance haben. Lassen wir die Riffe leben, hat auch die Menschheit eine größere Überlebenschance!

Prof. Dr. R. Leinfelder

(Text erstellt anläßlich eines Vortrages für die Naturfreunde Leonberg-Eltingen).

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Das Internationale Jahr des Riffes (International Year of the Reef - IYOR) 1997 ist eine u.a. von UNESCO und dem WorldWideFund for Nature (wwf) unterstützte, weltweite Initiative von Riffwissenschaftlern und will insbesondere die Bedeutung und Gefährdung der Korallenriffe einer breiteren Öffentlichkeit klarmachen.

Das Internationale Jahr des Riffes wird durch eine Vielzahl von Institutionen (Universitäten, Schulen, Museen, Zoologischen Gärten, Tauchorganisationen, Umweltvereine, Medien) getragen und von vielen Organisationen und Firmen finanziell unterstützt.

Weitere Informationen zu Riffen und dem Jahr des Riffs: Die Internet-Seiten zum Jahr des Riffes:

http://www.palaeo.de/riffe

(mit IYOR-Informationen und Aktivitätenkalender für ganz Deutschland)

oder bei

IYOR-Deutschland c/o Prof. Leinfelder

vormals Stuttgart, seit Okt. 1998:
Univ.Institut und Staatssammlung für Paläontologie und Historische Geologie, Richard-Wagner-Str. 10, 80333 München

e-mail: r.leinfelder@lrz.uni-muenchen.de Fax: 0711-1211341

 

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