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45/03.11.1997


 

BIOLOGIE

 

Erstmals Schäden an Korallenriffen weltweit erfaßt

Hongkong (dpa/fwt) - Korallenriffe sind in allen Meeren vor allem durch die zerstörende Fischereimethoden weltweit stark geschädigt. Erstmals haben nun in diesem Jahr Forscher die menschlichen Einflüsse auf die "Regenwälder des Meeres" weltweit registriert. Organisiert wurde das Projekt Reef Check 97 an der Hong Kong University of Science and Technologie. Nach Auskunft der Koordinationsgruppe Deutschland waren dabei mehr als 100 Meeresforscher und 750 Sporttaucher aktiv beteiligt. Vom 15. Juni bis 31 August hatten sie Daten von 300 Korallenriffen in 30 Ländern gesammelt. Erste Ergebnisse nach der Auswertung von 230 Riffen wurden jetzt in Hongkong vorgestellt.

 

Durchschnittlich waren die Riffe nur noch zu 31 Prozent von lebenden Korallen bedeckt. Die geringsten Werte hatte die Karibik mit 22 Prozent, was nach Meinung der Forscher möglicherweise auf Korallenbleichen und Krankheiten zurückzuführen ist. Allerdings ist auch ein ungeschädigtes Riff nur selten zu 100 Prozent mit lebenden Korallen bestückt. Das beste Verhältnis von lebenden zu toten Korallen hatte das Rote Meer. Aufgenommen wurden die Daten entlang einer 100 Meter langen Leine, die jeweils waagrecht in zwei verschiedenen Tiefen über das Riff gespannt wurde. Aktionen am Roten Meer und auf den Malediven hatte die Deutsche Gruppe unter Leitung von Moshira Hassan vom GEOMAR-Forschungszentrum für marine Geowissenschaften in Kiel, sowie Gert Wörheide, Paläontologe an der Universität Göttingen und der Ulmer Meeresbiologien Rosemarie Asang-Soergel koordiniert.

 

Anlaß zur Sorge geben vor allem die geringe Zahlen der Fische und Schalentiere in den Riffen. In 81 Prozent der untersuchten Korallenriffe waren die Langusten offenbar verschwunden. Diese hummerartigen Krebse bevölkerten den Forschern zufolge einst alle Riffe der Welt. In den 179 untersuchten Riffen des Indo-Pazifiks fanden die Taucher nur 25 Langusten, elf davon lebten in einem einzigen Abschnitt im Schutzgebiet Indonesiens. Fische und Schalentiere wurden in den Riffen jeweils in einem 800 mal 100 Meter großen Areal ausgezählt.

 

Große Zackenbarsche, die weltweit befischt werden, waren aus 40 Prozent der Riffe verschwunden. Die restlichen enthielten nur noch wenige Exemplare. An einigen Stellen in den Malediven und im Roten Meer, wo die Fische weder mit Dynamit noch mit Gift gefangen werden, wurden jeweils mehr als 20 der Fische pro Aufnahmefläche gezählt.

 

Einst waren in den Riffen des Indo-Pazifiks Napoleonfische und Barramundis relativ häufig, aber in 85 Prozent der 179 untersuchten Riffe wurde nun kein einziger gesehen. Schuld am Rückgang der Fische sind Wörheide zufolge vor allem die Überfischung durch Zyanidfischeri und andere Fangmethoden. Mit dem Gift Zyanid werden die Fische betäubt, so daß sie leichter zu fangen sind, aber noch leben. Geschädigt werden dabei jedoch auch viele andere Tiere.

 

Auch die Beständ der Riesenmuscheln gehen zurück. Im Durchschnitt wurden 17 Riesenmuscheln pro Aufnahmefläche in den indo-pazifischen Riffen gezählt. An einigen geschützten Stellen in Australien und im Roten Meer haben die Taucher dagegen 150 bis 250 Riesenmuscheln pro Beobachtungsfläche gefunden.

 

Die Bedeckung der Riffe mit schadstoffanzeigenden Algen war insgesamt relativ gering. Nur an sieben Stellen wurden mehr als 10 Prozent Algenbedeckung gemessen. Die Forscher verweisen allerdings darauf, daß in der Studie vor allem Riffe abseits von Siedlungsgebieten untersucht wurden. Die Verschmutzung mit Abwasser und damit das Algenwachstum sei in Riffen, die nahe an Siedlungen liegen, vermutlich viel stärker.

 

Für den globalen Koordinator von Reef Check 97, Gregor Hodgson (Universität Hongkong) sind die Ergebnisse ein klarer Beweis, daß Korallenriffe im globalen Maßstab geplündert werden. Hoffnung gebe allerdings die Tatsache, daß sich die Fische und Korallen etwa in marinen Parks gut erholen und vermehren könnten. Der Riffbiologe bezeichnete die Korallenriffe als "eine Schatztruhe im Wert von Milliarden Dollar an genetischen Material für pharmazeutische Produkte und einen wichtigen Faktor zum Schutz der Küsten". Sie seien eine Nahrungsquelle für mehrere hundert Millionen Menschen und Attraktion für sieben Millionen Sporttaucher.

 

Hassan und Wörheide fordern mehr marine Schutzgebiete und ein Verbot destruktiver Fangmethoden wie der Zyanidfischerei. Genauso wie eine gute Öffentlichkeitsarbeit und Gesetzgebung den Elfenbeinhandel reduzieren konnten, sei nun eine vergleichbare Anstrengung notwendig, um die Nachfrage nach zyanidgefangenem lebenden Fisch zu verringern.

 

Reef Check 97 bestand aus einem globalen Netzwerk von lokalen, regionalen und nationalen Koordinationszentren, die jeweils Teams aus erfahrenen Sporttauchern und Forschern zusammenstellten. Die Methoden waren einfach zu erlernen, die Erhebungen jeweils an einem Tag durchzuführen. So wurden sowohl weltweit als auch lokal wichtige Indikatorarten ausgewählt, die leicht an Form und Farbe zu erkennen waren. Neben dem wissenschaftlichen Erfolg sei dieses Projekt vor allem bemerkenswert gewesen, weil es vollständig über das Internet organisiert und fast zur Gänze von Freiwilligen bestritten wurde, sagte Prof. Gary Heinke, der Direktor des Instituts für Umwelt und nachhaltige Entwicklung an der Universität Hongkong. Wenige tausend Dollar Managementkosten hätten weltweit Daten im Gegenwert von zwei Millionen Dollar (3,4 Millionen Mark) eingebracht. Der vollständige Report soll dieses Jahr veröffentlicht werden.

 

Weitere Informationen sind im Internet auf der deutschen Homepage http://www.geologie.uni-stuttgart.de/IYOR/infos/reefcheck.html oder bei der internationalen Koordination unter http://www.ust.hk/-webre/ReefCheck/reef.html abzurufen.

 

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(Abgebildet ist ein Korallenriff im Ozean)


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