Wasser auf die Mühlen der FU-Geologen nach der Wende ist für sie das Oderbruch als neues Forschungsgebiet zugänglich. Das Oderbruch ist eine über zweihundert Jahre alte Kulturlandschaft und geologisch gesehen ein besonders effektiver natürlicher Wasserfilter. Wie sich das Oderwasser reinigt, das durch das Flußbett ins Grundwasser sickert, untersucht die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Asaf Pekdeger und Dr. Andreas Winkler im Fachbereich Geowissenschaften. Dabei fanden die Geologen, die auf Rohstoff- und Umweltgeologie spezialisiert sind, unter anderem heraus, daß das Grundwasser trotz intensiver Landwirtschaft im Oderbruch nur geringe Nitratkonzentrationen aufweist.
Darstellung zur kulturhistorischen Entwicklung des Oderbruchs nach der Umlegung der Oder im Norden (zwischen Güstebiese und Hohensaaten) und der damit erfolgten vollständigen Eindeichung und Trockenlegung des Oderbruchs (1753). Diese Maßnahme geht auf eine Initiative Friedrich des Großen zurück, der nach Abschluß der Arbeiten eine gezielte Kolonisation des Oderbruchs vorantrieb. Im Zuge dieser Bemühungen sind zahlreiche neue Dörfer gegründet worden, wobei besonders viele Hugenotten aus Frankreich eine neue Heimat fanden. Viele Ortsnamen zeugen noch heute davon (Vevais, Beauregard).
Trinkwasser wird hauptsächlich aus dem Grundwasser gewonnen nach diesem Motto werden in Deutschland Brunnen gebohrt, insbesondere weil man sonst verschmutztes Oberflächenwasser aus Seen und Flüssen kostspielig aufbereiten müßte. Um so wichtiger, daß man versteht, welchen Umständen es zu verdanken ist, daß unser Grundwasser Trinkwasserqualität hat. Wenn Wasser im Trinkwasserbrunnen abgepumpt wird, dann sickert in der Nähe von Seen und Flüssen am Ufer Wasser durch den Boden nach, wie durch einen natürlichen Filter wird es dabei gereinigt. In Berlin hängt die gute Qualität des Grundwassers, das in Brunnen, z.B. an der Havel gewonnen wird, bis zu 80% von dieser sogenannten Uferfiltration ab. Im Oderbruch haben es die Geologen dagegen mit einer Art von natürlicher Hydraulik zu tun: Der Wasserspiegel der Oder liegt höher als das Oderbruch, so daß ständig von unten Wasser durchgedrückt wird. Diese natürliche Anordnung ist für die Geologen ideal, um die Vorgänge der Uferfiltration zu verstehen.
Schadstoffe können vor allem durch zwei Einflüsse ins Grundwasser gelangen: Zum einen kann das Oderwasser, das über die Uferfiltration von unten ins Grundwasser einsickert, verschmutzt sein. Es sollte sich hier insbesondere der Schadstoffeintrag aus den polnischen Kohlerevieren in Schlesien und aus Industrieabwässern der Stadt Posen bemerkbar machen. Doch die Oder ist kein toter, stinkender und verschmutzter Fluß, vielmehr sind die Schadstoffkonzentrationen gering, wohl auch, weil sie in Höhe des Oderbruchs bereits zu einem wasserreichen Strom angewachsen ist. "Die Wasserqualität ist vergleichsweise gut, da sich alles eingeleiteteWasser bereits gut vermischt hat", vermutet Pekdeger. Warum also aufwendig die Einflüsse des Oderwassers auf das Grundwasser untersuchen? "Wir wollen wissen, wie die Uferfiltration funktioniert, um langfristig abschätzen können, welchen Einfluß ein plötzlicher Mehreintrag von Schadstoffen, z.B. nach einem Industrieunfall auf das Grundwasser hat", erläutert der Geologe.
Das Oderbruch bzw. der Oderbruch-Polder zeichnet sich durch ein weitverzweigtes Gewässernetz aus, das im wesentlichen aus den Hauptgräben (meist ehemalige Altarme der Oder) und kleineren Entwässerungsgräben besteht. Die Hauptgräben führen das gesamte, in den Entwässerungsgräben aufgestiegene Grundwasser nach Nordwesten ab, wo es über die Alte Oder das Oderbruch verläßt. Die generelle Fließrichtung in den Hauptgräben ist also nach Nordwesten gerichtet. Eingetragen sind hier auch wichtige oberirdische Zuflüsse (z.B. Stöbber) von den westlich angrenzenden Hochflächen.
Aber auch die intensive Landwirtschaft, die im Oderbruch betrieben wird, beeinflußt das Grundwasser, insbesondere durch nitrathaltige Düngemittel, die in den Boden gewaschen werden. Denn das Oderbruch ist eine vom Menschen geschaffene Kulturlandschaft. 1753 ließ Friedrich der Große das letzte Stück im Norden eindeichen und schuf so ein Gebiet, das tiefer liegt als der Wasserspiegel der Oder. Zur Entwässerung dienen Drainagegräben, die das durch Uferfiltration von unten ständig nachsickernde Oderwasser ableiten. Gleichzeitig nutzt die Landwirtschaft die Gräben zur Bewässerung der Felder, denn das Oderbruch gilt klimatisch als eines der trockensten Gebiete Deutschlands: Hier regnet es nur ungefähr halb soviel wie im bundesdeutschen Durchschnitt.
Das Grundwasser im Becken unter dem Oderbruch hat den Geologen zufolge eine gute Wasserqualität, und bereits in einigen100 m Abstand zum Ufer der Oder ist der Einfluß des über Uferfiltration einsickernden Wassers auf das Grundwasser nicht mehr meßbar. Doch mußten die Forscher zunächst ähnlich wie Goldgräber tätig werden und ein flächendeckendes Netz von Meßstellen im Oderbruch wiederfinden. Es existierte schon zu DDR-Zeiten und diente zur Kontrolle der Grundwasserstände für die Trinkwasserversorgung. Nach der Wende ist das Netz jedoch verfallen und die unscheinbaren Rohre, die ins Grundwasser hinabreichen, waren teilweise völlig zugewuchert oder sogar von Traktoren einfach plattgewalzt worden. Der Dipl.-Geologe Torsten Liedholz machte mit Hilfe von Diplomanden im Rahmen seiner Dissertation aber mehr als die Hälfte der Meßstellen wieder ausfindig, zusätzlich legten sie weitere Meßstationen an und können seitdem das Grundwasser im Oderbruch flächendeckend untersuchen, z.B. wieviel und wie schnell das Wasser unterirdisch fließt und welche löslichen Bestandteile es enthält. Die erhaltenen Wasserproben müssen dabei möglichst frisch untersucht werden, die sofortige Analyse auf eine Reihe von Standardsubstanzen im Wasser findet deshalb am Zentrum für Argarlandschafts- und Landnutzungsforschung (ZALF) in Müncheberg statt, das nur wenige Kilometer vom Oderbruch entfernt liegt. Später werden die Proben in den Labors der Geologen in Berlin auch auf Schwermetalle und weitere Substanzen überprüft.
Verteilung der Eisen-Konzentrationen im oberflächennahen Grundwasser des Oderbruchs. Eines der auffälligsten und charakteristischsten Merkmale sind die z.T. stark erhöhten Eisen (Fe)-Gehalte. Sie sind mit ein Grund dafür, daß das Grundwasser nicht zur flächendeckenden Trink- und Brauchwasserversorgung der Bevölkerung im Oderbruch geeignet ist.
Diese Art der Darstellung ist im Rahmen des Forschungsprojektes für alle wichtigen Hauptinhaltsstoffe und physikochemischen Meßgrößen im Grundwasser erstellt worden und gestattet eine regional hydrochemische Charakterisierung des oberflächennahen Grundwassers im Oderbruch.
Im Oderbruch finden die Geologen fast überall überraschend geringe Nitratkonzentrationen im Grundwasser, trotz intensiver Landwirtschaft. Und das könnte an einer besonderen Eigenschaft des Bodens der eingedeichten Flußlandschaft liegen: Er enthält nur wenig Sauerstoff. Notgedrungen haben sich darauf auch die kleinsten Bodenbewohner, die Bakterien eingestellt. Um ihren Bedarf zum Überleben zu decken, nutzen sie den im Nitrat gebundenen Sauerstoff und wandeln dabei das wasserschädliche Nitrat in ungefährlichen Stickstoff um nitrathaltige Sickerwässer aus der Landwirtschaft werden so schon gereinigt, bevor sie ins Grundwasser gelangen können.
Es bleibt die Frage: Was passiert mit den durch Uferfiltration aus dem Wasser herausgefilterten übrigen Schadstoffen? Dazu betrachten die Geologen das Sediment, sozusagen das natürliche Filtermaterial. Der Geologe Andreas Winkler hat sich dazu eigens ein Stück Oderbruch nach Berlin geholt. Im Labor pumpt er schwermetallhaltige Wässer durch Sedimentproben aus dem Oderbruch. Anschließend untersucht er, welche chemischen Verbindungen die Schwermetalle im Boden eingehen, und was mit den im Sediment eingelagerten Schwermetallen im Laufe der Zeit passiert. Schließlich soll geklärt werden, ob und wie sie unter Umständen doch noch ins Trinkwasser gelangen könnten. Denn der effektive Bodenfilter kann bei Verunreinigung nicht einfach gewechselt werden wie ein Haushaltswasserfilter die Uferfiltration muß auch noch nachfolgenden Generationen sauberes Grundwasser garantieren.
Steffi Barbirz