Der neue Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften"
Die Universität ist keine Schraubenfabrik"

 

Bis Ende vergangenen Jahres verteilte sich das berühmte Ensemble Kleiner Fächer an der FU auf zwei Fachbereiche, Altertumswissenschaften und Philosophie und Sozialwissenschaften II. Im Januar ’99 kam der Zusammenschluß dieser beiden Fachbereiche mit einem dritten, bestehend aus einem großen (Kunsthistorisches) und einem sehr großen (Friedrich-Meinecke-) Institut.

Da trafen Strukturen aufeinander, die man sich unterschiedlicher nicht vorstellen kann: Die zwei Institute des Fachbereichs Geschichtswissenschaften hatten eine ganze Verwaltung für sich, die beiden anderen Fachbereiche waren (und sind) über halb Dahlem verstreut, so daß man "nicht wegen jeder Briefmarke in die Fachbereichsverwaltung laufen" konnte.

Umbauarbeiten am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften

Foto: Schulz

Man hat die Heterogenität von Anfang an mit Sorge betrachtet. Ganz so unverdrossen wie ihre Kollegen vom Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften (s. FU-Nachrichten 5-6/99, Seite 19) sehen die beiden Verwaltungsleiter, Detlef Grade und Dr. Walter Koneffke, den Zusammenschluß nicht, bei dem ein Konglomerat aus 21 Fächern an 15 Standorten entstanden ist. Eine Verwaltungspraxis der offenen Türen gab es nur im kleinen Fachbereich: "Vorher war ich der Leiter einer Fachbereichsverwaltung, jetzt komme ich mir vor wie in einer Behörde", vergleicht Walter Koneffke und warnt: "Wir dürfen den Kontakt zum akademischen Bereich nicht verlieren." Das aber befürchten die beiden Verwaltungsleiter, sollten sich ihre Aufgaben weiter verschieben. "Wenn man sich vorwiegend um Haushalts- und Personalangelegenheiten oder um den kaputten Feuerlöscher kümmert, kommt die Betreuung von Habilitanden oder die Beratung für die Hochschullehrer zu kurz". Auch die Verlagerung von Aufgaben in die zentrale Fachbereichsverwaltung sehen sie kritisch und wünschen sich einen genaueren Blick der Planer auf die Basisarbeit in den Fachbereichen. "Der Service vor Ort ist notwendig", meinen Grade und Koneffke. Gerade in einem so heterogenen Fachbereich brauchen die Studierenden Anlaufstellen in den einzelnen Fächern.

Eine davon ist Renate Orlowski, die im Geschäftszimmer des Friedrich-Meinecke-Instituts arbeitet. Sie führt die Studentenkartei, kümmert sich um Zwischenprüfungsangelegenheiten, Klausuren, Raumvergabe und tausend andere Dinge. "Ich habe viel und gern mit Studenten zu tun, und ich habe meine Arbeit immer als nützlich angesehen."

Für sie und ihre Kolleginnen vom ehemaligen Fachbereich Geschichtswissenschaften hatte die Arbeit einen ganz anderen Zuschnitt als in den beiden anderen Fachbereichen, wo verschiedene Verwaltungsaufgaben immer schon in den Instituten angesiedelt waren. Jetzt wird neu gemischt, und zum Teil weiß man noch nicht, wer wofür zuständig ist – neue Dahlemer Unübersichtlichkeit. "Viele Aufgaben müssen noch neu definiert werden", erklärt Walter Koneffke. Allerdings läßt man sich von den Umwälzungen nicht irre machen und vergißt auch nicht, wofür man da ist: "Wir sind ein Dienstleistungsunternehmen. Wir tun das." Denn vor allem die Studierenden hätten darunter zu leiden, wenn man sich zu lange mit sich selbst beschäftigte, meint Birgit Simon, Fremdsprachensekretärin aus der Semitistik (ehemaliger Fachbereich Altertumswissenschaften), und sie fragt sich, ob man durch eine bessere Vorbereitung Pech und Pannen nicht hätte vermeiden können.

Die Universität ist keine Schraubenfabrik...
Foto: Glaser
...sondern ein heterogenes kunstvolles Gebilde.
Foto: Mostertz

Einen "Zustand von leichtem Chaos" sieht auch Ingrid Dammalage-Kirst aus der Sinologie (ehemals Philosophie und Sozialwissenschaften II), zuständig für Korrespondenz, Verwaltung und Vorbereitung von Publikationen. Durch die Ressortverteilung in der großen Fachbereichsverwaltung dauert alles insgesamt länger. Früher kannte man die Leute, die immer alles wußten und die nicht weit weg waren – die alten Fachbereiche waren in langer Routine wohlgeordnet. Ein großes Problem für den neuen Fachbereich mit neuen Aufgaben ist die schlechte EDV-Ausstattung. "Es wäre sinnvoll gewesen, die Kostenstellenrechnung direkt mit neuer EDV anzufangen", sagt Walter Koneffke. "Jetzt müssen wir mit Steinzeitmethoden ein neues Verfahren einführen – das kostet einfach Mehrarbeit." Man hofft, daß die notwendigen Schulungen rechtzeitig und in ausreichender Menge angeboten werden.

Trotz alledem: Man rauft sich zusammen, wenngleich "die Historiker in der Abgeschlossenheit viele Vorteile sahen – und die Kleinen Fächer wohl auch", wie Detlef Grade vermutet. Doch jedem ist klar, daß man jetzt an einem Strang ziehen muß. Auch wenn anfangs noch viel Zeit und Energie dabei draufgeht, die anderen davon zu überzeugen, seine althergebrachte Methode sei doch die allerbeste, auch wenn die Sitzungen des Fachbereichsrats im Moment noch länger dauern als früher, auch wenn noch allenthalben eine gewisse Unübersichtlichkeit herrscht. Aber der Kontakt unter den Kolleginnen und Kollegen ist gut. Renate Orlowski: "Mit den Leuten, die wir hier kennengelernt haben, haben wir richtig Glück gehabt." Sie gibt zwar zu, daß es "nicht leicht" sei, betrachtet aber die Veränderungen als Herausforderung – kurz bevor sie in den Ruhestand geht.

Ingrid Dammalage-Kirst: "Ich habe es so lange an der Universität ausgehalten, weil sich immer viel verändert". Es ist eben doch eine andere Art von Verwaltung. Walter Koneffke zitiert den ehemaligen Dekan des ehemaligen Fachbereichs Altertumswissenschaften Hans Jörg Nissen: "Die Universität ist keine Schraubenfabrik."

Susanne Weiss

 

Friedrich-Meinecke-Institut; Kunsthistorisches Institut; Institut für Indogermanistik und Orientalistik (Seminar für vergleichende und Indogermanische Sprachwissenschaft, Altorientalisches Seminar, Ägyptologisches Seminar, Seminar für Semitistik und Arabistik); Institut für Archäologie (Seminar für Ur- und Frühgeschichte, Seminar für Vorderasiatische Altertumskunde, Seminar für Klassische Archäologie); Institut für Indische Philologie und Kunstgeschichte (Indische Philologie und Kunstgeschichte, Altamerikanistik); Institut für Judaistik; Seminar für Katholische Theologie; Institut für Evangelische Theologie mit dem Fachgebiet Religionsgeschichte; Institut für Islamwissenschaft; Institut für Turkologie; Institut für Religionswissenschaft; Institut für Iranistik; Ostasiatisches Seminar mit Sinologie, Japanologie, Koreanistik)

Studierende:
8.500 in Haupt- und Nebenfach
Wissenschaftliches Personal ca. 200
Nichtwissenschaftliches Personal: ca. 50