Exkurs zur Beobachtungsmethode
Mich dagegen hat meist eine bestimmte Absicht zum Marlene-Dietrich-Platz geführt, das (Forschungs-)Interesse an dem dortigen Geschehen. Meine Wahrnehmung des am Marlene-Dietrich-Platzes stattfindenden Geschehens und die dort gemachten Erfahrungen sind die Wirklichkeit, an der ich mich in dieser Arbeit orientiere. Meine Wahrnehmung dieses Ortes hat sich im Verlauf einer längeren Beobachtungszeit herausgebildet und sie ist das Resultat einer großen Anzahl von Interaktionen mit Menschen vor Ort, mit Freunden und Bekannten, mit denen ich mich dort aufgehalten habe und mit denen ich über diesen Ort gesprochen habe. Die systematischen Beobachtungen für diese Arbeit haben sich über zwei Monate erstreckt, von der zweiten Aprilwoche bis Anfang Juni 2001. Ich habe mich natürlich auch vorher und nachher am Platz aufgehalten und dort Beobachtungen gemacht, die auch in diese Arbeit einfließen, in dem genannten Zeitraum habe ich allerdings verschiedene Maßnahmen ergriffen, um das Geschehen am Marlene-Dietrich-Platz möglichst umfassend einzufangen und keine relevanten Aspekte zu vernachlässigen. So habe ich ein detailliertes Beobachtungsprotokoll geführt und in den vor Ort gemachten Notizen vor allem möglichst konkrete Eindrücke aufgeschrieben, um diese als Erinnerungshilfen und zur Schärfung der Wahrnehmung bei folgenden Beobachtungen zur Verfügung zu haben.[14] Während dieser systematischen Beobachtungen habe ich die meiste Zeit versucht, nicht nach bestimmten Dingen oder Ereignissen zu schauen, sondern einen möglichst großen Teil des Geschehens zu sehen. Ausnahmen davon waren konkrete Beobachtungen, bei denen ich beispielsweise versucht habe nachzuvollziehen, woher die Besucher des Marlene-Dietrich-Platzes kommen und wohin sie gehen. Einige Male ist es auch vorgekommen, dass ich irgendetwas besonders Interessantes gesehen oder gehört habe, in diesen Fällen habe ich meine Aufmerksamkeit auf das betreffende Geschehen gelenkt und Anderes vernachlässigt.
Des weiteren habe ich meine Beobachtungen vor Ort zu verschiedenen Zeiten durchgeführt, um Unterschiede in der Nutzung während der verschieden Tages- und Nachtzeiten zu erfassen und um zu sehen, inwiefern über die Woche verteilt unterschiedliche Aktivitäten zu beobachten sind. Da ich nebenbei neunzehn Stunden pro Woche regulär (tagsüber) Arbeiten musste war dies leider nur eingeschränkt möglich. Es gibt natürlich auch Unterschiede in den Jahreszeiten – diese kann ich jedoch nur sehr begrenzt berücksichtigen, da der Bearbeitungszeitraum für eine Diplomarbeit eingeschränkt ist und ich mit meinen systematischen und ausführlichen Beobachtungen erst nach Einsetzen des Frühlings begonnen habe.
Der direkte Einfluss, den ich als passiv teilnehmender Beobachter auf das Geschehen hatte, ist mit ziemlicher Sicherheit gering – es erscheint nicht sehr ungewöhnlich sich dort etwas länger aufzuhalten, da einerseits die meisten Leute nur verhältnismäßig kurze Zeit (wenige Minuten) am Marlene-Dietrich-Platz verbringen und andererseits die länger Verweilenden häufig auf andere warten – eine Situation, die in ihren Augen auch die meinige hätte sein können. Einigen ist aufgefallen, dass ich Notizen gemacht und dabei häufig auf die Uhr geschaut habe (um die genaue Zeit ins Protokoll aufzunehmen) – es hat mich aber niemand gefragt, was ich denn eigentlich mache. Soweit ich es beurteilen kann, schien sich niemand gestört zu fühlen, zumal es nicht ersichtlich war, was ich notiere und welchem Zweck meine Notizen dienen. Nur wenn ich mich bei kühlem Wetter länger im Foyer des Musical Theaters aufgehalten habe oder ich zu späterer Stunde bei wenig Betrieb auf dem Marlene-Dietrich-Platz war, wurde ich von den Sicherheitsangestellten des Stella Musical Theaters und des Adagio (das im gleichen Gebäude ist) als Einzelperson ohne klare Tätigkeit oder Aufgabe beäugt.
Fußnoten
- 14 Vgl. zu diesem Vorgehen vor allem die Seiten 62-68 in John und Lyn H. Loflands Analyzing Social Settings: A Guide to Qualitative Observation and Analysis.
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