· In allen erfaßten
35 Ländern bestehen heute Umweltministerien oder nationale Umweltagenturen. Kennzeichnend
an der Expansion des neuen Politikfeldes ist, daß in fortgeschrittenen Ländern
Umweltabteilungen inzwischen auch in anderen Ministerien und Verwaltungen geschaffen
wurden. Der in den Industrieländern mit der Stockholmer Umweltkonferenz von 1972
eingeleitete Prozeß vollzog sich in Entwicklungsländern mit einer Zeitverzögerung von
etwa 15 Jahren.
· Die Studie zeigt -
neben der Ausweitung staatlicher Handlungskapazitäten - einen auffälligen Bedeutungszuwachs
und eine zunehmende globale Vernetzung nichtstaatlicher Akteure:
- Umweltverbände
in hochentwickelten Ländern haben eine Mitgliedschaft, die die der Parteien oft
übertrifft; in der Schweiz kommt die Zahl ihrer Mitglieder derjenigen der Gewerkschaften
nahe, in den Niederlanden liegt sie sogar darüber. Die Fachkompetenz der Umweltverbände
hat ebenso zugenommen wie ihre Einbeziehung in nationalstaatliche Willensbildungsprozesse
oder ihre Bedeutung im internationalen Kontext.
- Die
Umweltberichterstattung der Medien hat eine ähnlich hohe Bedeutung. In den
entwickelten Industrieländern haben die großen Zeitungen spezielle Umweltredaktionen.
Selbst in Nigeria war es die Presse, die 1988 einen illegalen Sondermüllimport aufdeckte
und damit das Startsignal für grundlegende Einrichtungen des Umweltschutzes gab.
- Umweltorientierte
Unternehmen und ihre Organisationen spielen in allen untersuchten Ländern eine
Rolle, in den entwickelten Industrieländern haben sie einen erheblichen Stellenwert
erlangt.
- Wachsende Bedeutung
hat die Wissenschaft. Für erfolgreiche Maßnahmen ist sie unerläßliche
Voraussetzung. Oft wird sie auch mit eigenen nationalen und internationalen
Politiknetzwerken wirksam.
· Die Studie stellt
eine Globalisierung von Umweltpolitik fest, die als Prozeß des Politiklernens
(policy learning) beschrieben werden kann. Obwohl die Untersuchung nur die nationale
Entwicklung untersuchte, stieß sie ständig auf globale Einflüsse. Dabei ist die
Nachahmung von Erfolgsfällen ebenso von Bedeutung wie die Diffusion von Politikmustern
durch das UN-System oder die OECD. Zunehmend tragen auch die globalen Netze
internationaler Umweltverbände, der Medien, der Wissenschaft und der "grünen"
Unternehmensorganisationen zur Entwicklung umweltpolitischer Handlungskapazitäten bei.
· Folge ist eine Tendenz
zur globalen "Politikangleichung" (policy convergence). Nationale
Umweltinstitutionen und -gesetze sind zunehmend beeinflußt durch globales Politiklernen.
Dies gilt auch für den Wandel des vorherrschenden Politikmusters: Staatliche Ge- und
Verbote sind am Anfang ebenso verbreitet wie die Hochschornsteinpolitik. Der Wandel hin zu
weicheren Instrumenten und zukunftsfähigeren Lösungen erfolgt ebenso im internationalen
Maßstab wie etwa die Einführung nationaler Umweltpläne im Sinne der Agenda 21.
· Marktkonforme
Instrumente wie Umweltsteuern und Abgaben spielen noch eine geringe, wenngleich
zunehmende Rolle. Paradoxerweise sind sie weniger in liberalen Volkswirtschaften wie der
amerikanischen oder britischen als in Ländern verbreitet, in denen der Staat eine
stärker interventionistische Rolle spielt: die skandinavischen Länder, Süd-Korea und
Rußland (das seine zahlreichen Umweltabgaben aber nicht wirksam durchsetzen kann).
· Insgesamt
unterscheiden sich die Länder weniger durch das vorherrschende Muster der Umweltpolitik
als durch die Handlungsmöglichkeiten und die Politikresultate. China und Rußland haben
beispielsweise ein umfassendes Regelwerk des Umweltschutzes, die Probleme liegen in der
Fähigkeit zur Umsetzung.
· Bestehende
rechtliche und institutionelle Handlungsmöglichkeiten der Umweltpolitik sind nur in
wenigen Fällen wieder eingeschränkt worden. In den USA unter Ronald Reagan, in
Großbritannien unter Margret Thatcher. In Deutschland gab es - unter anderem durch die
Beschleunigungsgesetze - nach 1994 eine ähnliche Entwicklung.
· Häufig kann von
einer Unterforderung bestehender Handlungsmöglichkeiten gesprochen werden: dies
gilt für schwache Minister ebenso wie für konfliktscheue Unweltverbände. Wille und
Geschick in der Nutzung bestehender Möglichkeiten und situativer Einflußchancen haben im
Umweltschutz offenbar eine hohe Bedeutung. Der subjektive Faktor der Umweltpolitik darf
demnach nicht unterschätzt werden.
· Die Studie verweist
jedoch auch auf die engen Grenzen der entstandenen Handlungsfähigkeiten: Selbst in
den entwickelten Industrieländern reichen sie nur aus für technische Standardlösungen
des Umweltschutzes wie Filtertechnik, Abfallbeseitigung, Gefahrstoffsubstitution. Sie sind
jedoch unzureichend gegenüber schleichenden Umweltverschlechterungen, die eine geringe
Politisierbarkeit, eine starke Basis der Verursacher und/oder das Fehlen von profitablen
Standardlösungen aufweisen. Beispiele sind der Bodenschutz, die Stabilisierung des
Flächenverbrauchs, der Klimaschutz oder die Abfallvermeidung. Ökologisch nachhaltige
Entwicklung betrifft die Lösung eben dieser Langzeitprobleme. Hier ist erweist sich eine
weitere Kapazitätsbildung als unerläßlich.
· Ansätze für einen
solchen Ausbau umweltpolitischer Kapazitäten finden sich in einer Reihe von Ländern:
- Der niederländische
Nationale Umweltpolitikplan (NEPP) stellt einen umfassenden Versuch dar, langfristige
Ziele für eine ökologisch tragfähige Entwicklung zu setzen. Die Formulierung der Ziele
geschieht auf breiter politischer und gesellschaftlicher Basis und für die Umsetzung
wurde ein komplexes System von Verhandlungslösungen mit einzelnen Verursacherbranchen
entwickelt. Ein Großteil der in der Studie betrachteten 35 Länder hat inzwischen die
eine oder andere Form von langfristiger und kooperativer Umweltplanung eingeführt. In
vielen Fällen fungierte der niederländische NEPP dabei als Anstoß oder als Modell.
- Die in Dänemark
vorgenommene Eingliederung des Energieministeriums in das Umweltministerium kann als
Beispiel für eine ökologisch sinnvolle Form der administrativen Neustrukturierung - vor
allem im Hinblick auf eine effektivere Klimaschutzpolitik - angesehen werden.
Die Studie legt die Schlußfolgerung nahe daß die globale
Ebene des Umweltschutzes eine Eigendynamik entwickelt hat. Sie wird nicht nur von den
internationalen Netzwerken staatlicher und nichtstaatlicher Akteure getragen. Wesentlichen
Einfluß hat auch das Auftauchen immer neuer Vorreiterländer. In den 1960er Jahren war
dies Großbritannien (Smogbekämpfung), in den 1970er Jahren die USA, Schweden und Japan. Deutschland
hat im Laufe der 80er Jahre eine internationale Vorreiterposition (auch auf dem
Weltmarkt der Umwelttechnik) erreicht, diese aber nach den Bundestagswahlen 1994 faktisch
aufgegeben. Seit Ende der 1980er Jahre gehen innovative Impulse für die internationale
Umweltpolitik vor allem von den Niederlanden und Dänemark aus. In Zukunft dürften diese
Rolle auch Schwellenländer spielen. Südkorea hat diesen Anspruch bereits 1995 in seinem
Umweltplan ausdrücklich angemeldet.