Viesen (Ev. Dorfkirche)

Kirchenkreis Elbe-Fläming

Die Dorfkirche in Viesen mit ihrer zweiteiligen Baustruktur besitzt als große Ausnahme innerhalb der Flämingkirchen einen im Westteil des Gebäudes stehenden, quadratischen Westturm aus Feldsteinen, der schmaler ist als das Schiff. Er steht auf zwei Ost-West-verlaufenden Bögen. Auch die Innenausstattung mit den barocken Choremporen und dem barocken Altar sind bemerkenswert.

Lage der Kirche: Viesen liegt ca. 6 km nördlich der A2, 9 1/2 km nordöstlich von Ziesar. Autobahnabfahrt Wollin, dann Richtung Wenzlow, Mahlenzien nach Viesen.

Ortsgeschichte: 1282 wird der Ort erstmals als "Visene" urkundlich erwähnt. Nach Wernicke (1898) war Viesen lange Zeit im Besitz der v. Britzke, die 1898 noch das Patronat über die Kirche hatten. Im 19. Jahrhundert hatten auch die v. Schlabrendorf Besitz in Viesen.

Baustruktur: Der Kirchenbau zeigt heute Schiff (16,40 m lang, 9,20 m breit) mit integriertem Westturm und sehr langem, nach Osten verlängerten, eingezogenem Chor (8,70 m lang, 7,15 m breit); ursprünglich jedoch mit quadratischem, eingezogenem Chor (ca. 4,70 m lang) und Apsis. Das Schiff "umgreift den Chor, d.h. das Schiff ist wohl in einer zweiten Bauphase entstanden. Die Kirche weicht mit magnetisch gemessenen 12° nach Nordosten von der idealen Ost-West-Ausrichtung ab.

Mauerwerksausführung: Der Kirchenbau besteht aus Feldsteinen, das Glockengeschoß des Turmes ist aus Ziegeln gemauert worden. Die Mauerwerksausführung des Schiffes ist lagig mit guten, relativ großen Quadern. Zwischen dem Schiff und dem Chor ist eine deutliche Baunaht, das Schiff umfaßt scheinbar den Chor bzw. die Schiffsmauern enden an der Chorwand. Der Ostgiebel des Chors ist unregelmäßig gemauert. Die Mauer zwischen Turm und Schiff mißt 125 cm. Die den Turmraum unterteilenden Arkaden sind 90 cm stark. Am Südeingang des Schiffes wurden 95 cm Wandstärke gemessen.

Mörtel und Putze: Schiff, Chor und Apsis zeigen lediglich einen Fugenputz. An manchen Stellen ist noch eine Putzritzung zu erkennen. Der Ostgiebel des Schiffes ist komplett verputzt.

Portale: Das Mittelportal in der Südseite des Schiffes hat Feldsteingewände, aber einen Ziegelbogen. Dieser ist strukturiert in einen inneren Bogen aus stehenden Bindern und einen äußeren Bogen aus liegenden Läufern. Die Ziegel messen 26,5-27 x 12-12,5 x 8-8,5 cm. Die Tür ist eine Holztür mit der Inschrift: "Andreas Eschholz hat diese Thür verehret Ao 1657". Das rundbogige Westportal mit Feldsteingewände und -bögen ist zugesetzt. Im Giebel ist ein kleines rundbogiges Fensterchen zu erkennen (ursprünglich?). Die rundbogige Priesterpforte mit Feldsteingewände und -bögen auf der Südseite des Chores hat einen Begleitbogen aus liegenden "Läufern".

Fenster und Blenden: Die Nordseite des Schiffs besitzt von Osten her ein korbbogiges Fenster, ein rundbogiges, ursprüngliches Fenster, ein korbbogiges Fenster (unter diesem ein 1997 zugesetztes Rechteckfenster mit Ziegelgewände) und (bereits im Turmbereich) ein rundbogiges, romanisches Fenster. Dieses mißt 140 cm in der Höhe und 80 cm in der Breite. Die Gewändeziegel des rechteckigen Fensters messen 26,5 x 13,5 x 7-7,5 cm. Auf der Südseite ist das westliche Fenster noch weitgehend ursprünglich mit einem Feldsteingewände. Lediglich der Bogen scheint etwas verändert zu sein. Die drei weiteren Fenster sind alle etwas unterschiedlich mit Korb- und Segmentbögen und Ziegelgewände. Rechts des 2. Fensters von Westen noch die Kante eines Feldsteingewändes zu erkennen. Der untere Teil des 3. Fensters von Westen ist zugesetzt. Auf der Nordseite des Chores befinden sich von Osten, ein zugesetztes, spitzbogiges gotisches Fenster, und zwei korbbogige Fenster. Das zugesetzte gotische Fenster im Chor ist auch innen als Blende zu erkennen. Die Südseite des Chors weist zwei segmentbogige Fenster mit Ziegelgewände auf. Zwischen diesen beiden Fenster ist ein etwas höheres, zugesetztes Fenster mit Segmentbogen und Ziegelgewände zu erkennen. In der Fensterostseite befindet sich eine Dreiergruppe von gotischen Fenstern mit jeweils einem Ziegelgewände. Die Ziegel weisen Preßfalten auf und sehen "alt" aus. Sie haben jedoch das relativ kleine Format 26 x 12,5 x 7 cm. Es sind aber definitiv keine barocken Ziegel. Die Fenster sind 65 cm breit und 240 cm hoch. Die Südseite Chor hat zwei, relativ weitauseinander stehende Fenster, dazwischen befindet sich auf Fensterhöhe eine zugesetzte Türe (vermutlich der Eingang zur Chorempore auf der Südseite. Im Westgiebel sitzt ein rundbogiges Fenster.

Innenbögen: Der Triumphbogen ist rundbogig, etwas unregelmäßig, mit sichtbaren Verschalungsspuren. Im Dachboden darüber stützt ein großer gemauerter rundbogiger Entlastungsbogen aus Backstein den Giebel ab. Die dreigliedrige, ungewölbte Turmhalle war ursprünglich zum Schiff durch einen großen Rundbogen geöffnet.

Turm: Der Feldsteinturm ist eingezogen und in das Schiff integriert. Er steht auf der Trennwand Schiff/Turm sowie auf zwei Ost/West verlaufenden, den Turminnenraum unterteilenden Mauern mit Arkaden. Der untere Teil, der bis an das Glockengeschoss heranreicht besteht aus Feldstein, das Glockengeschoss selber ist mit Ziegeln gemauert. Der Westgiebel hat in der Mitte einen rechteckigen, hohen Aufsatz. Die Giebel des Querturmes sind verbrettert. Der Turm hat ein Kreuzbogenfries. Die Giebel sind mit Kupferplatten verkleidet. Die Säulchen der gekuppelten, rundbogigen Klangarkaden besitzen Würfelkapitelle. Das Dach schließt mit Kugel, Windfahne und Kreuz ab. In die Windfahne ist die Jahreszahl 1926 und darunter die Jahreszahl 1986 eingraviert.

Dächer: Der Turm hat ein querstehendes Satteldach. Das Satteldach des Schiffs ist doppelt mit Biberschwänzen gedeckt. Das Süddach des Chors ist dagegen mit Dachpfannen eingedeckt.

Innenausstattung: Das Innere besitzt eine Bretterdecke auf querliegenden Balken. Der Fußboden ist einheitlich ohne Stufe zwischen Schiff und Chor. Der hölzerne Altaraufsatz wurde 1684 gefertigt. Er zeigt in drei Zonen übereinander die Gemälde Abendmahl, Kreuzigung und Auferstehung; darüber folgt der mittig gesprengte Giebel. Der mittlere und obere Teil sind seitlich flankiert von gewundenen Säulen. Seitlich des gegenüber dem mittleren Teil eingezogenen oberen Teils sind die Wappen der v. Britzke (links) und der v. Byern (rechts) angebracht. Es ist interessant, dass im Wappen der v. Byern die im Geviert von Rot und Gold rechts unten und links oben in den roten Gevierten sitzenden Jagdhunde blau (oder schwarz?) dargestellt sind und nach links sehen. In Siebmacher´s Wappenbuch sehen die Jagdhunde nach rechts und sind silbern. Auf dem Giebel sitzen zwei Putten. Über den oberen Ecken der Gemälde sowie im Giebel sind Engelsflüchte angebracht.
Die polygonale Kanzel an der Nordseite des Triumphbogens stammt inschriftlich datiert aus dem Jahr 1686. Der Korb steht auf einer verzierten Stütze, der Korb hat an den Eck gewundene Säulchen und Ohrmuschelornamente. Der Deckel ist einfach mit gesägten Ornamenten verziert. Das Schiff hat Emporen auf Nord-, West- und Südseite, die ringsum, ausgenommen den östlichen Teil der Südseite. Die Südempore ist mit Wappenmalereien verziert. Auf der Südseite des Chors befindet sich ebenfalls eine Empore, die früher einmal auch einen Zugang von der Südseite des Chores hatte.

Außenbereich:

Baugeschichte: Vermutlich Ende 12. Jahrhundert: Bau von Chor mit Apsis, in einem etwas späteren Bauabschnitt wurde das Schiff mit integriertem Turm angefügt. Das Schiff hatte wohl vier Fenster, der Chor zwei Fenster. In der Apsis dürfen wir wohl die üblichen drei Fenster vermuten. Zwei Gemeindeportale befanden sich auf der West- und Südseite, das Priesterportal auf der Chorsüdseite.
Anfang 13. Jahrhundert: Der Turm erhält ein Glockengeschoß aus Backstein.
Ende 13. Jahrhundert: Abriß der Apsis und Verlängerung des Chores nach Osten mit einem geraden Abschluß. In den verlängerten Teil wurden sowohl in die Nordseite wie auch in die Südseite je ein weiteres Fenster eingesetzt. Die Ostseite erhielt eine Dreiergruppe, schmaler, spitzbogiger, gotischer Fenster (L/B-Verhältnis knapp 4 : 1).
Vermutl. Ende 17. Jahrhundert: Vergrößerung der Fenster und Einbau des Hocheinganges in der Südseite, Einbau der Emporen in Schiff und Chor. Dazu könnte auch der Einbruch eines Recheckfensters in der Nordwand passen, das zur Beleuchtung des Raums unter den Emporen diente.
Die Holzbalkendecken im Schiff und im Chor wurden 1984/87 erneuert.

Vergleiche:

Bemerkungen: Der Chor ist nach den strukturellen Verhältnissen am Ansatz zum Schiff älter als Schiff. Das Schiff "umgreift" den Chor förmlich. In keiner der einschlägigen Publikation wurde aber bemerkt, dass der Chor nach Osten verlängert ist und der Ostschluß des Chors das Produkt einer ersten gotischen Veränderung ist. Der Chor und das geringfügig später errichtete Schiff sind daher mitnichten frühgotisch, wie dies die gotische Dreifenstergruppe in der Chorostwand und das spitzbogige Fenster im Ostteil der Chornordwand impliziert. Dies führte auch zu einer Reihe weiterer Fehlbeobachtungen bzw. zu Widersprüchen in der Baugeschichte. Der Triumphbogen wird im Dehio als "leicht spitzbogig, unregelmäßig, mit sichtbaren Verschalungsspuren, nachträglich eingebrochen bzw. verändert" beschrieben. Es handelt sich unserer Ansicht nach um einen ursprünglichen, rundbogigen Triumphbogen, der unten noch die Ansätze der Chorschranken aufweist. In der Nordwand des Schiffs sind noch zwei wenig veränderte, ursprünglich rundbogige Fenster erhalten. Auch sie würden nicht zum angeblich älteren, frühgotischen Chor passen.

Information und Dank:

Literatur: Wernicke (1898): Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Kreise Jerichow, S.387/8, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Bezirke Berlin/DDR und Potsdam (Dehio/Potsdam), (1983), S.442, Bau- und Kunstdenkmale in der DDR, Bezirk Potsdam (1978), S.52, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler Brandenburg (Dehio/Brandenburg) (2000), S.1078, Möschner (2003), Kirchen im Evangelischen Kirchenkreis Elbe-Fläming, S.74.

Ältere Beschreibungen:

Dehio/Potsdam: Viesen Bez. Potsdam, Ldkr. Brandenburg. - Inv. Sachsen, Jerichow II Dorf-K. Stattlicher spätrom. Feldsteinbau 1. H. 13. Jh. aus Schiff und eingezogenem Rck.Chor sowie quadr., in die WFront einbezogenem Feldsteinturm, dieser im Schiffsinneren von 2 durch Rundbogen verbundenen Pfeilern getragen. Sein Glockengeschoß in Backstein, die Teilungssäulchen der gekuppelten Klangarkaden mit Würfelkapitellen, abgeschlossen durch Dreieckfries ähnlich altmärkischen Bauten. Die Schiffsöffnungen bis auf die 3 Lanzettfenster des Chores bar. verändert, das rundbogige WPortal vermauert. Im Innern flache Holzbalkendecken; Triumphbogen leicht spitzbogig. Hufeisenförmige Empore 18. Jh., gleichzeitig die Empore an der SWand über dem Pastorenstuhl. - Hölzerner Altaraufsatz von 1684, vor ö Chorempore, übereinander die Gemälde von Abendmahl, Kreuzigung und Auferstehung, seitlich gewundene Säulen, Wappen und Putten auf dem Giebel. Hölzerne Kanzel 1686, der Korb auf Termenstütze mit gewundenen Ecksäulchen und Ohrmuschelornament.

Dehio/Brandenburg: Viesen Lkr. Potsdam-Mittelmark. Karte 5 Ev. Dorfkirche. Stattlicher Saalbau aus Feldstein, 1. H./M. 13. Jh., mit eingezogenem Rechteckchor und querrechteckigem, über der Dachkante ins Quadrat überführtem Westturm. Ältester Teil der Chor, vor der Errichtung des Schiffs vollendet (einschließlich Putzfugung). Rundbogiges Chorsüdportal mit Feldsteinlaibung. Am nur wenig jüngeren Schiff Rundbogenportal mit Backsteinbogen; das Westportal vermauert. In der Ostwand Dreifenstergruppe, leicht spitzbogig, mit Backsteingewände. Die übrigen Fenster vermutlich im 18. Jh. korbbogig vergrößert, urspr. kleine, hochsitzende Rundbogenöffnungen. Turmglockengeschoß in Backstein, abgeschlossen durch Dreieckfries, ähnlich altmärkischen Bauten; gekuppelte, leicht spitzbogige Klangarkaden, die eingestellten Säulchen mit gedrückten Würfelkapitellen aus Backstein.
Die dreigliedrige, ungewölbte Turmhalle urspr. zum Schiff durch großen Rundbogen geöffnet. In Schiff und Chor flache Holzbalkendecken (1984/87 erneuert); leicht spitzbogiger Triumphbogen, unregelmäßig, mit sichtbaren Verschalungsspuren, nachträglich eingebrochen bzw. verändert, darüber im Dachboden großer gemauerter rundbogiger Entlastungsbogen aus Backstein. Dreiseitige Empore, 18. Jh., mit Wappenmalereien; gleichzeitig die Empore an der Südwand über dem Pastorenstuhl. Vor östl. Chorempore hölzerner Altaraufsatz 1684, übereinander die Gemälde, Abendmahl, Kreuzigung und Auferstehung, seitlich gewundene Säulen und Wappen (v. Britzke und v. Byern), auf dem Giebel Putten. Hölzerne Kanzel, bez. 1686, der Korb auf Termenstütze mit gewundenen Ecksäulchen und Ohrmuschelornament.

Bau- und Kunstdenkmale in der DDR: Viesen Dorfkirche Feldsteinbau des frühen 13. Jh. mit eingezogenem Rechteckchor und quadratischem Westturm, dieser in den Westteil des Schiffes einbezogen, im Inneren auf 2 durch Rundbögen verstrebten Pfeilern ruhend; Glockengeschoß in Backstein mit Schmuckformen im Übergangsstil. Südportal 1657. - Altaraufsatz mit Gemälden 1685, in Verbindung mit Chorempore. Kanzel 1686. Hufeisenförmige Empore mit Wappenmalerei 18. Jh., ähnlich die Empore an der Südseite des Chores. Orgel 19. Jh. Leuchterpaar, Messing, 17./18. Jh. Glocke 18. Jh. von J. D. Schultz, Berlin.

Möschner (2003): Stattlicher romanischer Feldsteinbau
Die Viesener Dorfkirche ist ein stattlicher Feldsteinbau aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Ihr ältester Teil ist der eingezogene rechteckige Chor, der bereits vor der Errichtung des Schiffes vollendet war und dessen rundbogiges Südportal in ursprünglicher Form erhalten geblieben ist. Eine Dreifenstergruppe mit Backsteingewände in der Ostwand ist bereits leicht spitzbogig. Ein querrechteckiger Westturm mit einem ebenfalls noch mittelalterlichen Backstein-Glockengeschoss wurde von der Dachkante an ins Quadrat überführt. Schiff und Chor sind mit flachen Holzbalkendecken versehen, die 1984-87 erneuert wurden. Ein leicht spitzbogiger Triumphbogen trennt beide Bereiche. Mit Wappenmalereien geschmückt ist eine dreiseitige Empore ans dem 18.Jahrhundert. Ein hölzerner Altaraufsatz von 1684 zeigt zwischen gewundenen Säulen und Wappen übereinander Gemälde des Abendmahls, der Kreuzigung und der Auferstehung. Die hölzerne Kanzel stammt aus demjahre 1686.

Aufnahme der Kirche: September 2003

Grundriss:

Grundriss der Dorfkirche Viesen (eigene Aufnahme; nicht winkeltreu).

Zur Startseite


©Theo Engeser und Konstanze Stehr, Jühnsdorf, 2004