Kirchenkreis Brandenburg
Die Kirche beeindruckt durch ihren Westturm, in dessen Westwand sich drei große Rundblenden befinden. Der nur leicht eingezogene Chor und das Schiff sind unter ein einheitliches Dach gebracht worden. Der Chor besitzt unter dem Trauf einen doppelten, vorkragenden Holzsims mit Schiffskieldekor und Taustäben. Im Schiff ist der Sims nur einfach.
Lage der Kirche: Marzahne liegt ca. 10 km nördlich von Brandenburg/Havel. Es gehört zum Ortstyp eines Straßendorfes. Die Kirche liegt an der Durchgangsstraße etwa in Mitte des Dorfes.
Ortsgeschichte: Marzahne wird bereits 1186 erstmals urkundlich erwähnt. Fischer (1976) leitet den Namen von polabisch “Morcane” = Sumpf ab. Marzahne hatte bereits 1186 eine Kapelle und war Kirchdorf. Es war allerdings immer Tochterkirche von Hohenferchesar. 1375 hatte das Dorf 30 Hufen, davon hatte der Lehnschulze zwei Hufen und der Pfarrer eine Pfarrhufe. Es gab 11 Kossäten im Dorf sowie einen Krug. Das Patronat war seit 1186 im Besitz des Domkapitels zu Brandenburg a. d. H.
Baustruktur: Der Kirchenbau besteht aus Schiff (8,60 m breit, 7,00 m lang), nur leicht eingezogenem Rechteckchor (9,15 m lang, 7,65 m breit) und einem Westturm (4,25 m lang, 9,20 m breit), dessen Breite leicht über die Schiffsbreite vortritt. Chor, Schiff und Turm gehören völlig unterscheidlichen Bauabschnitten an. An der Südseite des Chores wurde eine lange Sakristei angebaut, die jedoch nicht bündig mit der Chorostwand ist und noch auf den östlichen Teil des Schiffes ragt. Der Turm (und die Kirche) sind annähernd Ost-West ausgerichtet (magnetisch gemessen Februar 2002).
Mauerwerksausführung: Schiff und Chor bestehen überwiegend aus Feldstein, der Westturm ist überwiegend aus Backstein mit einzelnen Feldsteinlagen gemauert. Die Südost- und die Nordostecke des Schiffes ist aus Ziegeln gemauert. Der Chor besteht aus lagig verlegten, grob gequaderten Feldsteinen. Das Mauerwerk des Schiffes ist dagegen völlig unregelmäßig gemauert und enthält viel Ziegelbruch. Der Anbau ist wohl völlig aus Backstein errichtet. Der Turm ist überwiegend in Backstein ausgeführt. Diese haben das Format 28 x 14 x 8,5-9 cm. Der ursprüngliche Ostgiebel des Schiffes ist überwiegend unregelmäßig mit kleinen, nur gespaltenen Feldsteinen gemauert, z.T. sind noch Lagen angedeutet. Der erhöhte Teil des Chores ist verputzt und springt gegenüber dem ursprünglichen Giebel etwas ein. Vermutlich ist er mit Backsteinen gemauert.
Mörtel und Putze: Der Anbau ist völlig verputzt. Dem Turm bzw. den Backsteinen der Turmwände ist deutlich anzusehen, dass sie einmal verputzt waren. Am Chor und am Schiff ist noch fragmentarisch das Netzwerk eines alten steinsichtigen Putzes mit Doppelfugenritzung zu sehen.
Portale: Das Westportal ist spitzbogig mit einem profilierten Gewände aus Birnstabrippen. Über dem Eingang ist die Jahreszahl 1888 angebracht. Der Durchgang von der Sakristei zum Chor war vermutlich das ursprüngliche Priesterportal. Der Südanbau besitzt eine rechteckige Tür in der Westwand.
Fenster und Blenden: Das Schiff besitzt je zwei große und breite korbbogige Fenster mit Ziegelgewände in der Nord- und Südwand. Am westlichen Fenster der Südwand maßen wir das Ziegelformat 26 x 13 x 8 cm cm. Ein altes, profiliertes Ziegelgewände ist zwischen dem östlichen und dem westlichen Fenster zu erkennen. In der Chorostseite befinden sich zwei segmentbogige Fenster mit geradem Ziegelgewände. Die unteren 40 cm sind zugesetzt. An der Chornordseite befinden sich zwei rechteckige Fenster; ein annähernd quadratisches Fenster in der östlichen Hälfte und etwa in der Mitte der Länge ein hochrechteckiges Fenster. Westlich des mittig sitzenden Fenster hat sich in der Wand das rechte Ziegelgewände eines älteren Fensters erhalten. Die Ziegel zeigen Preßfalten und haben das Format 29,5 x 13,5 x 9,5-10 cm. Leider ist der Bogen völlig beseitigt und ist nicht möglich zu bestimmen, ob es das ursprüngliche Fenster war (oder schon ein gotische Veränderung des ursprünglichen Fensters). In der Nord- und Südseite des Turm sitzt jeweils im ersten Geschoß ein langes, schmales spitzbogiges Fenster, das im oberen Teil blendenartig zugesetzt ist. Im Ostgiebel sitzen zwei Schlitzfenster. In der Südwand des Anbaus sind drei Rechteckfensterchen sowie ein Rundfenster im westlichen Teil. Der Turm weist eine Blendengliederung auf. An der Westwand sind es insgesamt vier segmentbogige, ca. 10 cm tiefe Blenden knapp über Niveau, an der Nord- und Südwand je zwei große segmentbogige Blenden. Die Westseite des Turmes weist zudem noch drei große Rundblenden auf, die unterhalb des Glockengeschosses sitzen.
Innenbögen: Das Innere haben wir noch nicht gesehen.
Turm: Der Turm ist ein etwas überschiffsbreiter Querwestturm aus Ziegeln. Wir haben das Innere noch nicht gesehen. In der West- und Ostseite sind je zwei gekuppelte Schallöffnungen (Segmentbögen unter einem großen Spitzbogen). Auf Nord- und Südseite sind es nur je eine gekuppelte Schallöffnung. Der Turm besitzt mittig einen Aufsatz mit Knopf und Windfahne. Der kleine Dachreiter mit offener Laterne und Spitzhelm mußte 1996 abgenommen werden und steht seitdem vor der Westseite der Kirche.
Dächer: An der Ostwand des Turmes zeichet sich der Ansatz eines ursprünglichen höheren und steileren Schiffsdaches ab. Der Turm besitzt ein beidseitig abgewalmtes Querdach, Schiff und Chor sind unter einem einheitlichen Satteldach, der Südanbau besitzt ein Pultdach. Das Dach von Schiff und Chor ist mit alten, dicken Biberschwanzziegeln eingedeckt.
Innenausstattung: Das Innere haben wir noch nicht gesehen.
Außenbereich: Knapp unter Traufhöhe des Schiffes verläuft ein Putzstreifen, der in gleicher Höhe auch um den Turm herum verläuft. Der Chor wurde durch ein breites Holzbalkengesims mit Schiffskieldekor und Taustäben auf gleiche Höhe mit dem Schiff gebracht. An der Nordostecke des Schiffes ist ein Feierabendziegel eingemauert.
Baugeschichte: Die
Kirche war ursprünglich sicherlich als zwei- oder dreiteilige
Kirche (Chorquadratkirche oder Chorquadratkirche mit Westturm)
geplant. Allerdings kamen Schiff und Turm erst wesentlich später
zur Ausführung. Der Baubeginn des Chores ist aufgrund der
Baustruktur und der Mauerwerksausführung um die Mitte des 13.
Jahrhunderts anzusetzen. Vermutlich wurde der Bau erst im 15.
Jahrhundert mit dem Bau des Schiffes forgesetzt. Das Gewände des
zugesetzten Fensters in der Südwand des Schiffes ist reich
profiliert und deutet auf das 15. Jahrhundert hin. Auch das
unregelmäßige Mauerwerk "paßt" zu dieser
Entstehungszeit.
In der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde
der Westturm in Backstein hinzugefügt. Der Schallarkaden des
Westturms zeigen das gleiche Stilmotiv wie der östliche
Blendgiebel der Rottstocker Dorfkirche (Segmentbögen unter
Spitzbögen). Der Dachstuhl des Schiffes der Rottstocker Kirche
ist mit 1434/35 (d) datiert. Der Chor ist jedoch jünger, da die
Ziegelformate von Chor und Schiff nicht übereinstimmen. Am
Priesterportal im Chor wurde das Ziegelformat 27-28 x 13-13,5 x 8,5-9
cm gemessen, das recht gut mit dem Ziegelformat des Turmes der
Dorfkirche Marzahne übereinstimmt.
Vermutlich wurde 1607
nach einem Brand das Dach des Chores durch ein schön
profiliertes Holzbalkengesims erhöht und zusammen mit dem Schiff
unter ein einheitliches Dach gebracht.
Im 18. Jahrhundert wurden
die Fenster im Schiff korbbogig vergrößert. 1831 erhielt
der Querwestturm ein Walmdach mit Dachreiter und Spitzhelm.
Vermutlich wurden die Fenster in der Chornordseite verändert.
1996 mußte der Dachreiter abgenommen werden. Die Reste stehen
heute westlich vor der Kirche.
Vergleiche: Die Kirche in Marzahne besitzt ein verhältnismäßig sehr kurzes Schiff, bei einer kleinen Breite. Dies legt den Verdacht nahe, dass der Turm in den westlichen Teil des Schiffes eingestellt worden sein könnte. Dieser Teil müßte später mit Ziegeln ummantelt worden sein, also der Turm höher gebaut worden ist. Er könnte aber auch auch ganz in Ziegeln ausgeführt sein. Wir haben das Innere noch nicht gesehen.
Bemerkungen: Die jüngere Baugeschichte ist schlecht dokumentiert und müßte neu recherchiert werden.
Information und Dank: -
Literatur: Eichholz und Spatz (1913), Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg, Band 2, Teil 1, Die Kunstdenkmäler des Kreises Westhavelland, S.102/3, Schulze (1940), Das Landbuch der Mark Brandenburg, S.192, Enders (1972): Historisches Ortslexikon für Brandenburg, Teil 3 Havelland, S.236/7, Fischer (1976), Brandenburgisches Namenbuch, Teil 4 Die Ortsnamen des Havellandes, S.167/8, Bau- und Kunstdenkmale in der DDR, Bezirk Potsdam (1978), S.50, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Bezirke Berlin/DDR und Potsdam (Dehio/Potsdam), (1983), S.269, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler Brandenburg (Dehio/Brandenburg) (2000), S.648/9.
Ältere Beschreibungen:
Dehio/Potsdam: Marzahne Bez. Potsdam, Ldkr. Brandenburg. - Inv. Prov. Brandenburg, Westhavelland Dorf-K. Im Kern ma. Feldsteinbau, Schiff mit leicht eingezogenem Rck.Chor. Wahrscheinlich nach Brand 1607 das Dach durch reich profiliertes Holzbalkengesims erhöht und vereinheitlicht, der urspr. OGiebel noch erkennbar. Im 18. Jh. verputzt und die Fenster verändert. Der querrck. WTurm aus Backstein spätgot., mit steilspitzbogigem, zart profiliertem WPortal und zweigeteilten Klangarkaden; das Walmdach mit Dachreiter und Spitzhelm 1831 - Im Inneren Holzbalkendecke, die hufeisenförmige Empore mit Orgelprospekt um 1831. Hölzerner Kanzelaltar vor Chorempore, 1772 vom Brandenburger Domtischler Binterm und Domzimmermeister Herzer; polyg. geschwungener Korb von Säulen flankiert, der Schalldeckel zwischen dem gesprengten Giebel. Silbervergoldeter Kelch 1699, am getriebenen 6Paßfuß Putten und aufgenietetes Kruzifix.
Dehio/Brandenburg:
Marzahne Lkr. Potsdam-Mittelmark. Karte 5
Ev. Dorfkirche. Im
Kern Feldsteinquaderbau des 13. Jh. mit leicht eingezogenem
Rechteckchor, mehrfach verändert. Die Langwände z. T. in
Mischmauerwerk ersetzt und - nach Brand 1607? - durch breites
Holzbalkengesims mit Schiffskieldekor und Taustäben auf
einheitliche Höhe gebracht; damals und im 18. Jh. die Fenster
verändert; barocker Verputz. Der querrechteckige Westturm
spätgotisch, Backstein, mit umlaufenden hohen Stichbogenblenden
und spitzbogigern Westportal mit zart profiliertem Gewände.
Walmdach mit Dachreiter und Spitzhelm 1831 (1996 entfernt). Innen
Holzbalkendecke, wohl A. 17. Jh., hufeisenförmige Empore mit
Orgelprospekt um 1831. - Hölzerner Kanzelaltaraufsatz vor
Chorempore, 1772 vom Brandenburger Domtischler Binterim und
Domzimmermeister Herzer; polygonal geschwungener Korb von Säulen
und schlanken Wangen flankiert, im gesprengten Giebel eingespannt der
Schalldeckel.
Bau- und Kunstdenkmale in der DDR: Marzahne Dorfkirche Rechteckiger Feldsteinbau mit leicht eingezogenem Rechteckchor, im Kern mittelalterlich, nach 1607 durch reich profiliertes Holzbalkengesims erhöht, im 18. Jh. verputzt. Im Westen spätgotischer Breitturm, Backstein, ebenfalls verputzt, sein Abschluß 1831. - Kanzelaltar und Chorempore über seitlichen Durchgängen, 1772 von Binterim und Hertzer, Brandenburg. Hufeisenförmige Empore auf eisernen Stützen und Orgel 1831. Sanduhr 18. Jh. Kelch mit Patene, Silber vergoldet, 1649. 2 Kronleuchter und 3 Wandarme, Messing, 18. Jh. 2 Altarleuchter, E. 19. Jh. in barocken Formen. 2 Glocken, 1608 von Urban Schober und 1697 von Johann Greten, Magdeburg.
Historisches Ortslexikon für Brandenburg: K aus der Zeit nach dem großen Brand von 1607, spätgotischer Backsteinturm von großer Breite; Rokokokanzel.
Aufnahme der Kirche: Februar 2002
Grundriss:
Grundriss der Dorfkirche Marzahne (eigene Aufnahme; nicht winkeltreu).
©Theo Engeser und Konstanze Stehr, Jühnsdorf, 2003