Kirchenkreis Elbe-Fläming
Die Dorfkirche in Gräben ist eine auf den ersten Blick wenig spektakuläre Dorfkirche mit einer relativ einfachen Ausstattung. Die Baugeschichte ist allerdings sehr interessant; im Westen ist ein schiffsbreiter Westturm angefügt worden, und im Osten ist die Kirche signifikant erweitert worden. Die Proportionen und die Mauerwerksausführung des ursprünglichen Teils der heutigen Kirche deuten auf einen Ursprungsbau des 13. Jahrhunderts hin.
Lage der Kirche: Gräben liegt südöstlich von Ziesar. Es ist ein Straßendorf. Die Kirche liegt etwa in der Mitte des sich Nordost-Südwest erstreckenden Dorfes.
Ortsgeschichte:
Der Ort wird 1375 im Landbuch von Kaiser Karl dem IV. erstmals
urkundlich erwähnt ("Groben"). Schlimpert (1972) gibt
zwei Erklärungsmöglichkeiten für die Entstehung des
ähnlich lautetenden Ortsnamens Gröben (Lkr. TF). Es könnte
sich um einen slawischen Namen handeln, der von polabisch "Grob´n"
= Grab, Graben, Damm abgeleitet ist. Er könnte aber auch von der
Familie von der Gröben gegründet worden sein und von dieser
Gründerfamilie den Namen erhalten haben. Diese Familie von der
Gröben erhielt ihren Namen vermutlich von der wüstgewordenen
Siedlung Gribbene, nördlich von Calbe in der Altmark (1156
Groben geschrieben).
1375 hatte Gräben 30 Hufen. Die Anzahl
der Pfarrhufen ist offen gelassen. Jede Hufe mußte als Pacht 2
1/2 Scheffel Roggen und 2 Scheffel Hafer abliefern. Außerdem
war noch eine zusätzliche Abgabe unter dem Namen "Hundekorn"
in Höhe von 1/2 Scheffel Roggen und 1/2 Scheffel Hafer zu
entrichten. Der Zins betrug 8 Pfennige pro Hufe. Die Bede in Höhe
von einem Schock mußte von der gesamten Gemeinde aufgebracht
werden. Das Hohe Gericht, die Bede und die Wagendienste von zwei
Hufen waren im Besitz des Markgrafen. In wessen Besitz die anderen
Rechte und Einnahmen waren, ist nicht überliefert. Im 16.
Jahrhundert waren die v. Borge als Lehnsmänner der Bischöfe
von Brandenburg im Besitz von Gräben. 1624 hatten die v. Borge
zu ihrem Rittergut vier Freihufen. Das Gut zerfiel später in
drei Teile. 1750 war der erste Anteil im Besitz des Leopold Friedrich
v. Borg. Der zweite Teil gehörte Hans Christoph v. Borg und der
dritte Teil dem "polnischen Lieutnant" Carl Friedrich v.
Borg.
Baustruktur: Die Kirche ist ein Rechteckbau (insgesamt 26,05 - 26,30 m lang, 8,10 m breit) mit später angebautem Westturm in Schiffsbreite, der aber nicht als Querwestturm hoch ausgeführt worden ist, sowie einer Verlängerung nach Osten. Auf den Westturm entfallen dabei ca. 6 m, auf den ursprünglichen Teil ca. 10 m und auf die Ostverlängerung ca. 10,05-10,30 m der Länge. Die Kirche ist magnetisch gemessen Ost-West ausgerichtet.
Mauerwerksausführung: Das Material der Kirchenmauern besteht überwiegend aus Feldstein. Untergeordnet kommen auch Backsteine vor (Fenster- und Portalgewände), und in der Ostverlängerung ist viel Ziegelbruch verwendet worden (Dachziegel!). Der Westgiebel des Schiffes und die Westseite des Dachturmes sind mit Ziegeln gemauert. Im ursprünglichen Bau ist das Mauerwerk lagig mit z.T. noch gequaderten Feldsteinen. Es kommen Auskeilungen mit scherbigen Feldsteinen vor. Das Mauerwerk des später angebauten Turms ist im unteren Teil ebenfalls noch lagig, aber die Feldsteine sind generell ungequadert. Die Mauerwerksausführung der Ostverlängerung ist völlig ungeordnet. Allerdings sind die Ortsteine gut gequadert. Es ist zu vermuten, dass es die wiederverwendeten Ortsteine des ursprünglichen Schiffes oder des beseitigten Chores sind. Die Mauerstärke beträgt, an der Südwand gemessen, ca. 95 cm.
Mörtel und Putze: Überall an der Kirche finden sich Reste eines alten Putzes mit Doppelfugenritzung. Es ist zu vermuten, dass die Kirche barockzeitlich ganz verputzt war.
Portale: Auf der Nordseite ist ein zugesetztes, spitzbogiges Portal mit Feldsteinbogen. Die Gewändesteine sind beseitigt worden; die Bogensteine sind schlecht bis kaum behauen. Das Mittelportal in der Südseite ist leicht spitzbogig. Es befindet sich etwa in der Mitte der ursprünglichen Kirche. Es hat ein Gewände aus Ziegeln und Feldsteinen. Die Ziegel haben das Format 26,5-28 x 13 x 8-8,5 cm. Ein segmentbogiges Portal mit Ziegelgewände sitzt im westlichen Teil der Ostverlängerung. In der Turmsüdwand befindet sich ein segmentbogiges Portal mit erneuertem Ziegelgewände. Darüber ist ein Ziegel mit der Jahreszahl 1716 in der Wand eingemauert.
Fenster und Blenden: Die Südseite hat vier korbbogige Fenster mit Ziegelgewände. Zwei der Fenster sitzen im ursprünglichen Teil der Kirche. Beim zweiten Fenster von Westen sind die unteren 30 cm mit Ziegeln zugesetzt. Diese haben das Format 25,5 x 13 x 7 cm. Zwischen diesen Fenstern, leicht noch Osten versetzt über dem mittleren Portal, ist ein zugesetztes Fenster. Außerdem kann noch ein weiteres großes, zugesetztes, segmentbogiges Fenster zwischen den beiden östlichen Fenstern (in der Ostverlängerung) beobachtet werden. Die Gewändeziegel des westlichen Fensters auf der Südseite (im ursprünglichen Teil) haben ein Format von 27 x 13 x 7,5 cm. Die Gewändeziegel des östlichen Fensters (in der Ostverlängerung) messen 28 x 13 x 8 cm. Die Fensteranordnung und -form der Nordseite entspricht der der Südseite. Hier sitzt ein zugesetztes, älteres Fenster zwischen dem zweiten und dritten Fenster von Westen. Ein weiteres zugesetztes Fenster befindet sich etwas nach Westen versetzt oberhalb des Nordportals. Es steht dem zugesetzten Fenster in der Südwand des ursprünglichen Teils der Kirche gegenüber. Die Ziegel, die zum Zusetzen benutzt wurden, haben das Format 26-27 x 13 x 7,5-8 cm. Der Turm hat in der Nord-, Süd- und Westseite je ein Schlitzfenster. Die Ostseite hat keine Fenster (auch keine zugesetzten Fenster).
Innenbögen: Die Kirche besitzt keine Innenbögen.
Turm: Der Turm ist ein später angebauter Querwestturm, der aber nicht über die Traufhöhe des Schiffes ausgeführt ist, sondern als quadratischer, eingezogener Giebelturm in Ziegelfachwerk mit massiver Westwand weitergeführt ist. In der Westwand sind zwei große, rundbogige Arkaden mit eingestellter Mittelsäule übereinander. Die Nord- und Südseiten weisen zwei übereinander stehende rechteckige Schallöffnungen auf. Die Ostseite besitzt nur eine rechteckige Schallöffnung. Das Turm schließt mit Kugel, Windfahne und Kreuz ab. In die Windfahne ist die Jahreszahl 1998 eingraviert.
Dächer: Das Satteldach des Schiffes ist nach Osten abgewalmt. Auf der Nordseite ist es mit einer Doppeldeckung von Biberschwanzziegeln eingedeckt, auf der Süd- und Ostseite mit Falzziegeln. Der Turm besitzt im Ansatz ein flaches Zeltdach, das dann in einen achteckigen, kurzen Spitzhelm ausgezogen ist. Zeltdachansatz und Spitzhelm sind verschiefert.
Innenausstattung: Das Innere ist relativ einfach gestaltet. Es ist flachgeckt mit einer Putzdecke. Der Kanzelaltar mit einem polygonalen Korb ist auffallend hoch. Er ist relativ schlicht bemalt. Im Chor steht das Patronatsgestühl. Die Kirche besitzt eine dreiseitige Empore, die bis an den Chorbereich heranreicht. Auf der Westempore steht die Orgel (Mitte 19. Jahrhundert) mit schlichtem Orgelprospekt.
Außenbereich: Die Kirche steht völlig frei auf dem Dorfanger. Kunsthistorisch interessante Gegenstände gibt es im Außenbereich nicht zu sehen.
Baugeschichte:
Aufgrund der gequaderten Feldsteine und der mutmaßlichen
Baustruktur sowie der Portalform läßt sich schließen,
dass der Ursprungsbau wohl in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts
errichtet worden ist. Der noch erhaltene Teil der ursprünglichen
Kirche war ein Rechteck von vielleicht knapp 11 m Länge und 8,10
m Breite. Das zugesetzte Nordportal sitzt etwa in der Mitte der
Längserstreckung der ursprünglichen Kirche. Das Südportal
ist dagegen deutlich nach Westen versetzt, verglichen mit dem
Nordportal. Beide Portale haben schlecht behauene Bogensteine. Beim
noch benutzten Südportal besteht das Gewände aus
Backsteinen, beim Nordportal sind die Gewändesteine beim
Zusetzen beseitigt worden. Möglicherweise ist eines der Portale
sekundär eingebrochen worden, da sich Seitenportale in einer
frühgotischen Kirche in aller Regel gegenüber stehen.
Weitere Seitenportale in diesem Teil können ausgeschlossen
werden.
Wir interpretieren diesen Teil daher als das Schiff einer
zweiteiligen frühgotischen Kirche mit eingezogenem Chor. Der
Chor hatte ungefähr die Maße 6,00-6,40 m Breite und ca.
5,00-7,00 m Länge, je nachdem, welche Kirche man zum Vergleich
heranzieht (siehe unten). Es ist beachtenswert, dass bei der barocken
Ostverlängerung der Kirche ein zweites Portal in die Südwand
gesetzt wurde. Es könnte eine Reminiszenz an das beseitigte
Priesterportal in der Südwand des eingezogenen Chores sein.
Das
ursprüngliche Schiff besaß je drei Fenster auf Nord- und
Südseite. Das jeweils mittlere Fenster hat sich zugesetzt noch
erhalten. Allerdings wurde bei beiden Fenstern der Bogen beseitigt,
wohl beim Umbau von 1716. Vermutlich hatte der barockzeitlich und
dann 1846 umgestaltete Westturm bereits einen mittelalterlichen
Vorgänger. Die unteren Teile des Mauerwerks sind lagig mit
gespaltenen Feldsteinen. Diese Mauerwerksausführung könnte
auf eine Errichtung eines schiffsbreiten Westturmes im 14.
Jahrhundert hindeuten. 1716 wurde die Kirche umfassend umgebaut. Der
höhere Teil des aufgehenden Mauerwerks des Westturmes, hier ist
ein Ziegel mit der Jahreszahl 1716 eingemauert, sowie die
Ostverlängerung der Kirche gehören zu dieser Bauphase. Die
Fenster des ursprünglichen Teils der Kirche wurden stark
vergrößert; zwei Fenster in der Nord- und Südwand des
ursprünglichen Teils der Kirche wurden zugesetzt. 1846 wurde die
Kirche durch Brand beschädigt. Der Turm wurde ab der Traufhöhe
des Schiffes mit Backsteinen völlig neu errichtet. Im Jahre 1998
wurde der Turm erneut renoviert. 2000/1 wurden die Türen der
drei Südportale erneuert. Sie waren bei unserem ersten Besuch im
November 1999 noch nicht renoviert.
Vergleiche: Aufgrund der Unsicherheit in der Rekonstruktion der ursprünglichen Baustruktur sind natürlich Vergleiche mit anderen Kirchen schwierig. Es gibt aber vergleichbar kleine, zweiteilige (oder dreiteilige) Kirchen in der weiteren Umgebung. Die Dorfkirche in Berkau (Lkr. Wittenberg, Sachsen-Anhalt, unmittelbar südlich der Grenze des Kreises PM) hat ein Schiff mit 10,85 m Länge und 7,85 m Breite. Der Chor mißt 4,30 m in der Länge und 5,50 m in der Breite und ist damit vergleichsweise sehr kurz und querrechteckig. Die Dorfkirche Ruhlsdorf (im Teltow, östl. Teil des Kreises PM) ist etwas größer. Das Schiff ist 12,24 m lang und 8,50 m breit; der eingezogene Rechteckchor mißt 7,20 m in der Länge und 6,40 m in der Breite. Er ist damit deutlich längsrechteckig.
Bemerkungen: Der Ort fehlt im Historischen Ortslexikon für Brandenburg bzw. liegt gerade außerhalb der Bearbeitungsgrenzen. Die Kirche fehlt auch in Wernicke (1898), obwohl sie damals zum Kreis Jerichow I gehörte. Daraus ist wohl zu schließen, dass Wernicke (1898) die Kirche nicht als Denkmal einstufte (oder der Ort einfach vergessen worden ist).
Information und Dank: -
Literatur: Fidicin (1860), Die Territorien der Mark Brandenburg, Bd.3, Teil 3 Der Zauchische Kreis, S.75/6, Schulze (1940): Das Landbuch der Mark Brandenburg, S.215, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler Bezirke Berlin/DDR und Potsdam (Dehio/Potsdam) (1983), S.208, Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR, Bezirk Potsdam (1978), S.41, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler Brandenburg (Dehio/Brandenburg) (2000), S.378, Möschner (2003), Kirchen im Evangelischen Kirchenkreis Elbe-Fläming, S.30.
Ältere Beschreibungen:
Landbuch 1375: Groben sunt 30 mansi, quorum plebanus habet ... (offen gelassen). Ad pactum quilibet 2 1/2 modois sigilinis et 2 avene; item 1/2 modium sigilinis et 1/2 avene, qui dicitur hundekorn; ad censum quilibet 8 denarios; ad precariam 1 sexagenam tota villa. Supremum iudicium, precariam super totam villam cum servicio curruum super 2 curias habet marchio.
Dehio/Potsdam: Gräben Bez. Potsdam, Ldkr. Brandenburg Dorf-K. Gestreckter Feldsteinbau im Kern ma., im fr. 18. Jh; verändert und erweitert, nach Brand 1846 neu ausgebaut, aus dieser Zeit auch der quadr. Turmaufsatz in Fachwerk. Das Innere mit flacher Putzdecke. Hufeisenförmige Empore mit Orgelprospekt sowie der steile Kanzelaltar von 1846.
Dehio/Brandenburg: Gräben Lkr. Potsdam-Mittelmark. Karte 5 Ev. Dorfkirche. Gestreckter Feldsteinbau mit schiffsbreitem, nicht ausgebautem Westturm; im Kern vermutlich 14. Jh. (zu erkennen zwei spitzbogige Feldsteinportale), 1716 beträchtlich nach Osten erweitert und die Fenster stichbogig vergrößert. Nach Brand 1846 quadratischer Turmaufsatz in Fachwerk und Innenausbau: flache Putzdecke, hufeisenförmige Empore mit Orgelprospekt, steiler Kanzelaltar.
Bau- und Kunstdenkmale in der DDR: Gräben Dorfkirche Langgestreckter rechteckiger Feldsteinbau mit westlichem Dachturm aus Fachwerk, im Kern spätgotisch, 1716 und 1846 umgebaut. - Kanzelaltar, dreiseitige Empore und Orgel M. 19. Jh. Leuchterpaar, Zinn, 1820.
Aufnahme der Kirche: November 1999, März 2002
Grundriss:
Grundriss der Dorfkirche Gräben (eigene Aufnahme; nicht winkeltreu).
©Theo Engeser und Konstanze Stehr, Jühnsdorf, 2003