[an error occurred while processing this directive] 1968

13.und 15.5.1968

Vortrag von Herbert Marcuse und Proteste gegen die Notstandsgesetzgebung

  Schwarz-Weiß-Foto: Streik gegen Notstandsgesetze 15.5.1968
Vorlesungsstreik gegen die Notstandsgesetze, 15. Mai 1968 im Audimax der FU.
Am Mikrofon: Sigrid Fronius.
Quelle und ©: Bundesstiftung Aufarbeitung, Fotograf: Klaus Mehner,
Signatur: 68_0515_ERZ-FU-VV-Streik_01

 
Schwarz-Weiß-Foto: Streik gegen Notstandsgesetze 15.5.1968
Vorlesungsstreik gegen die Notstandsgesetze, 15. Mai 1968 im Audimax der FU
Quelle und ©: Bundesstiftung Aufarbeitung, Fotograf: Klaus Mehner,
Signatur: 68_0515_ERZ-FU-VV-Streik_05

 
  Der Vortrag von Herbert Marcuse am 13. Mai wird für die rund 4000 Zuhörer aus dem Auditorium maximum der FU in die drei anderen Hörsäle des Henry-Ford-Baus synchron übertragen. Marcuse fasst in seinem 40-minütigen Beitrag seine Thesen zur Veränderung der Gesell­schaft zusammen. Min­derheiten könnten die Herrschaft der Ausbeutung beenden, wenn sie auf­grund der objektiven Situa­tion zu Mehrheiten wür­den. Die Kräfte der Verän­derung sieht Marcuse im Proletariat der Dritten Welt, in den Ghettos und in den Randgruppen der Metropolen, in den alten sozialistischen Ländern, in den neuen sozialisti­schen Ländern China und Kuba. Die Revolte der studentischen Jugend sei kein Generationskonflikt, sondern "Opposition gegen die Gesellschaft als Ganzes, gegen Moral, den Reichtum, die Dumm­heit und die Brutalität". Eine Alternative zum beste­henden Gesellschafts­system könne nur ein "Sozia­lismus ohne Stali­nismus" sein. Ein solcher Sozia­lismus erfordere "einen neuen Menschen". Die studentische Oppo­sition in den westlichen Metro­polen habe erkannt, dass ein Verharren in den bestehenden Verhält­nissen unmöglich sei. "Die Alternative heißt heute Sozialismus oder Barbarei."
 
Im Unterschied zu seinem Auftreten im Jahr zuvor kann Marcuse an diesem Abend die hochgesteck­ten Erwartungen des Auditoriums nicht erfüllen. Die im Anschluss an Marcuses Referat vorgese­hene von Jacob Taubes moderierte Podiumsdis­kussion endet in Tumulten. Mehrere Diskussions­redner aus dem aktionistischen Flügel des SDS und der Kommune I drängen zu Solidaritätsaktio­nen für die französischen Studenten und zu Bera­tungen über die für den 15. Mai geplanten Pro­testmaßnahmen gegen die Notstandsgesetze. Als größere Teile der Anwesenden bereits die Ver­sammlung verlassen, entfernen etwa 50 Studen­ten, unter ihnen Mitglieder der Kommune I, das etwa drei Meter große Holzwappen der Freien Universität von der Stirnwand des Auditorium maximum und stecken es vor dem Rektorat in Brand. Vereinzelt werden auch Steine gegen das Rektorat geschleudert. Die Mehrheit der noch Anwesenden verhält sich kritisch distanziert bis ablehnend gegenüber dieser Aktion.
 
[an error occurred while processing this directive]