Projekttutorien „Lebenswirklichkeiten von Flüchtlingen in Berlin" /„Behörden und Migration" (Hrsg.)

Verwaltet, entrechtet, abgestempelt
– wo bleiben die Menschen?

Einblicke in das Leben von Flüchtlingen in Berlin

 

An der Freien Universität Berlin wurde im Wintersemster 2001/02 und im Sommersemester 2002 ein Projekttutorium unter dem Titel "Lebenswirklichkeiten von Flüchtlingen in Berlin" durchgeführt. Zeitgleich fand an der Humboldt Universität Berlin ein Projekttutorium zum Thema "Behörden und Migration" statt.

Projekttutorien sind von Studierenden eigenverantwortlich organisierte, interdisziplinäre Seminare, in denen die Möglichkeit besteht, sich mit selbst gewählten Themen intensiv und praxisorientiert auseinander zu setzen. Während an der Humboldt Universität diese Form der Veranstaltung als innovatives Lernmodell gefördert wird, wurden an der Freien Universität im Sommer 2002 trotz großer Beliebtheit unter Studierenden die Projekttutorien abgeschafft. Als letzter "Jahrgang" derjenigen, die von dem Tutorienprogramm an der FU profitieren konnten, möchten wir an dieser Stelle noch einmal unserer Enttäuschung Ausdruck verleihen, dass mit der Abschaffung der Tutorien ein wichtiger Bestandteil des universitären Lehrangebotes über Bord geworfen wurde.

Die TeilnehmerInnen dieser beiden Projekttutorien fanden sich im Sommer 2002 zu einer gemeinsamen Projektarbeit zusammen. Im Rahmen dieser engen Kooperation entstanden eine Reihe unterschiedlicher Texte, die einen Einblick in das Leben von Flüchtlingen in Berlin geben. Sie wurden von uns zusammengefasst in einer gemeinsamen Publikation. Alle veröffentlichten Artikel stehen auf dieser Site zum download bereit.

Anspruch unserer Tutorien war es, sich sowohl mit den gesetzlichen Grundlagen bundesdeutscher Flüchtlingspolitik als auch mit der Praxis der Behörden im Umgang mit MigrantInnen und deren praktischen Folgen auf das Leben der davon betroffenen Menschen auseinander zu setzen. Diese Themen halten wir für gesellschaftlich relevant, sie werden aber im öffentlichen Diskurs zu wenig beachtet bzw. oft verzerrt dargestellt. Daher entstand im Laufe der PTs die Idee, die Ergebnisse unserer Diskussionen, Überlegungen und Recherchen in einer gemeinsamen Veröffentlichung zu dokumentieren. Das ursprüngliche Ziel war, durch Gespräche und Interviews die Erfahrungen von Flüchtlingen und ihre Sichtweise auf ihre Situation kennen zu lernen und einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Im Verlauf unseres Forschungsprozesses wurde es für uns immer deutlicher, dass das Leben von Flüchtlingen stark reglementiert und durch gesetzliche Vorschriften bestimmt wird. Deshalb rückte das fremdbestimmte Verwaltetwerden in den Fokus unserer Auseinandersetzung. Dies spiegelt sich in dieser Publikation wider, denn der Großteil der Texte bezieht sich auf gesetzliche Regelungen der Flüchtlingspolitik und deren soziale Auswirkungen. Die Perspektive der Betroffenen steht dadurch nicht mehr an erster Stelle. Dies sehen wir nicht nur als Ausdruck unserer eigenen Schwerpunktsetzung, vielmehr wissen wir nun, dass diese Gewichtung auch in der Struktur der Thematik angelegt ist. Ohne den Anspruch auf eine umfassende Darstellung möchten wir Einblicke in die Situation von Flüchtlingen in Berlin geben. In einem ersten Überblicksteil setzen wir uns kritisch mit dem Begriff „Flüchtling" auseinander, beschreiben allgemeine psychosoziale Lebensbedingungen von Flüchtlingen in Deutschland und beleuchten „Tücken" des Asylrechts. Die Texte des zweiten Blocks basieren auf Vor-Ort-Recherchen und Interviews und vermitteln konkrete Einblicke in das Leben von Flüchtlingen in Berlin. Die institutionelle Verwaltung von Flüchtlingen ist das Thema des dritten Blocks. Dabei legen wir unseren Fokus auf die Arbeit der Ausländerbehörde, des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und des Bundesgrenzschutzes sowie auf die Umsetzung von Abschiebehaft in Berlin. Da das Thema Zuwanderung in der politischen Debatte der letzten Jahre eine große Rolle spielte und - wie wir glauben - auch in Zukunft von Bedeutung sein wird, haben wir uns entschlossen, im vierten Teil die Entwicklungen des Gesetzesvorschlages zur „Steuerung und Begrenzung von Zuwanderung" nachzuzeichnen, die Pro und Kontras der geplanten Veränderungen darzustellen und den Integrationsdiskurs im Rahmen der Diskussion um Zuwanderung kritisch zu reflektieren. Im letzten Abschnitt der Broschüre werden sowohl UnterstützerInnen, die über ihre Arbeit mit Flüchtlingen berichten, als auch selbstorganisierte MigrantInnengruppen vorgestellt. Die intensive thematische Auseinandersetzung innerhalb der Projekttutorien und die gemeinsame Textarbeit betrachten wir für uns als eine wichtige Bereicherung, sowohl in persönlicher Hinsicht als auch im Rahmen unserer universitären Ausbildung. Wir halten es für wichtig, dass die Auseinandersetzung mit Lehrinhalten von politischer und gesellschaftlicher Brisanz stärker in den universitären Alltag Eingang findet und Studierende selbstbestimmt die für sie relevanten Themen bearbeiten können. An unseren Texten haben nicht nur die TeilnehmerInnen der Projekttutorien mitgewirkt, sondern auch viele andere. Ein herzlicher Dank geht an diejenigen, die eigenes beigesteuert, uns für Interviews und Gespräche zur Verfügung gestanden oder anderweitig an der Produktion mitgewirkt haben.

 

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Literaturangabe: Projekttutorien "Lebenswirklichkeiten von Flüchtlingen in Berlin"/"Behörden und Migration" (Hrsg.) 2003, Verwaltet, entrechtet, abgestempelt - wo bleiben die Menschen? Einblicke in das Leben von Flüchtlingen in Berlin, Berlin.