Date sent: Sat, 13 May 2000 08:24:56 +0200
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From: Ruediger Hohls
Subject: Rez. CD-ROM: Horstkemper ueber "Guy Saupon: L'Europe de l'Edit ..."
To: H-SOZ-U-KULT@H-NET.MSU.EDU
Date: Wed, 10 May 2000
From: "Gregor Horstkemper"
Subject: Rez. CD-ROM: Horstkemper ueber "Guy Saupon: L'Europe de l'Edit ..."

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Rezension der CD-ROM:
Guy Saupon: L'Europe de l'Edit de Nantes. Un parcours interactif dans l'Europe culturelle, religieuse et politique des Temps Modernes aux XVIe et XVIIe siecles, Saint-Herblain: L'Image Nouvelle 1998, 320 FF.

[Systemvoraussetzungen: Macintosh: Power Mac, CD-ROM 4fach, 16 MB RAM, 256 Farben, MacOS 7.1. PC: Pentium 133 MHz, 16 MB RAM, 256 Farben, Soundkarte, CD-ROM 4fach, Windows 9x/NT.]

Rezensiert fuer den Server Fruehe Neuzeit (SFN) und H-Soz-u-Kult von:
Gregor Horstkemper, Historisches Seminar der Universitaet Muenchen

Den vierhundertsten Jahrestag des Edikts von Nantes nahmen franzoesische und deutsche Fachhistoriker sowie die Multimedia-Produktionsfirma "L'Image Nouvelle" zum Anlass, eine CD-ROM ueber das Edikt selbst und seine Einordnung in die europaeische Geschichte des 16. und 17. Jahrhunderts zu produzieren. Als wissenschaftliche Hauptautoren firmieren Guy Saupon von der Universite de Nantes und Marie-Antoinette Gross von der Humboldt-Universitaet Berlin. Die Berliner Arbeitsgruppe, zu der noch Lars Behrisch, Vera Isaiasz, Daniel Schilling und Michael Suehnel gehoerten, zeichnet vor allem fuer die Kapitel ueber Toleranz und Intoleranz in Europa sowie ueber die europaeische Hugenottendiaspora verantwortlich. Als Mitwirkende bei der inhaltlichen Gestaltung der anderen Teile der CD-ROM sind neben Guy Saupin noch Helene Salauen von "L'Image Nouvelle" sowie Jean Loignon von der "Federation Protestante de France" zu nennen.

Nach dem Start der CD-ROM laeuft ein Video ab, mit dem der Schauspieler Daniel Mesguich als erzaehlender Praesentator eingefuehrt wird. Solche Videosequenzen werden gelegentlich als Einleitungen oder begleitende Kommentare in einzelne Kapitel eingestreut, ansonsten besteht die CD-ROM aus einer Kombination von animierten Bildmaterialien mit Hoer- und Lesetexten. Das Informations-Rueckgrat bilden dabei die Hoertexte, die je nach Thema von animierten Sequenzen mit Portraets, Landkarten, Tabellen, historischen Dokumenten oder Ausschnitten aus zeitgenoessischen Gemaelden begleitet werden. Zusaetzlich besteht jederzeit die Gelegenheit, auf ein Lexikon mit biographischen Informationen sowie auf ein Glossar zu Sachbegriffen zuzugreifen. Jede einzelne Teilsequenz endet damit, dass auf dem Bildschirm eine Liste der jeweils relevanten Begriffe des biographischen Lexikons und/oder des Glossars angezeigt wird, so dass ueber die im gesprochenen Text und in der visuellen Animation enthaltenen Informationen hinaus zusaetzliche Aspekte des Themas nachgelesen werden koennen. Der gesprochene Text kann leider nicht innerhalb der auf der Autoren-Software Macromedia Director basierenden Praesentation nachgelesen werden. In einem Unterverzeichnis der CD-ROM finden sich jedoch zwei Dateien im PDF-Format, die mit einem ebenfalls auf der CD-ROM verfuegbaren "Adobe Acrobat Reader" genutzt werden koennen. Eine der Dateien enthaelt saemtliche gesprochenen Texte, die auf insgesamt 47 Seiten Platz finden. Mit Hilfe des "Acrobat Reader" kann der Text nach bestimmten Begriffen durchsucht, kopiert oder ausgedruckt werden. Ein mittelpraechtig mit dem Franzoesischen vertrauter Benutzer sollte dem gesprochenen Text zwar recht gut folgen koennen. Dennoch ist die Dokumentation aller Hoertexte sehr zu begruessen, weil auf diese Weise die CD-ROM z. B. fuer den Schulunterricht oder auch im Grundstudium einen groesseren Nutzwert bietet. Leider wird weder innerhalb der CD-ROM-Praesentation noch im beiliegenden Booklet auf diese Dateien hingewiesen, so dass mancher Benutzer nicht den Weg in das entsprechende Unterverzeichnis namens "textes" finden duerfte.

Der intensive Rueckgriff auf visuelle Animationen und auf gesprochenen Text laesst die Zuordnung der CD-ROM zum Genre des "Infotainment" angemessen erscheinen. Die Gesamtanlage dieser vom franzoesischen Ministerium fuer Kultur und vom Centre National de la Cinematographie unterstuetzten Produktion spricht dafuer, dass keine spezifische Zielgruppe ins Auge gefasst wurde, sondern die gesamte historisch interessierte Oeffentlichkeit angesprochen werden soll. Dieser Vorgabe entsprechen auch der begrenzte Umfang und die sprachliche Gestaltung der Hoer- und Lesetexte. Im Glossar, das gut 300 Begriffserlaeuterungen umfasst, werden die meisten Sachverhalte mit nur ein oder zwei Saetzen zusammengefasst. Etwas ergiebiger sind die ueber 100 biographischen Artikel, denen von Fall zu Fall zeitgenoessische Portraets beigefuegt wurden. Vorgestellt werden die wichtigsten Theologen und politischen Akteure der Zeit, aber auch Maler, Schriftsteller und Musiker. Sehr bedauerlich ist, dass die Texte des biographischen Lexikons und des Glossars weder ausgedruckt noch kopiert werden koennen.

Inhaltlich folgen die Autoren drei Hauptlinien, die sich in der Gliederung der Hauptpraesentation niederschlagen. Im ersten Themenblock "Reperes dans l'europe moderne (XVIe - XVIIe)" werden wirtschaftliche, politische, religions- und ideengeschichtliche sowie kunst- und kulturgeschichtliche Merkmale der behandelten Epoche skizziert. Die Themen dieser vier Kapitel werden jeweils in mehreren Unterkapiteln und dort wiederum in einzelnen thematischen Sequenzen behandelt, was fuer eine klare Strukturierung der Themenbereiche und fuer eine gute Navigierbarkeit innerhalb der CD-ROM sorgt. Dieser erste Block koennte als Kurzeinfuehrung in die Fruehe Neuzeit bezeichnet werden, mit den beiden folgenden Hauptkapiteln ist er eher lose verknuepft. Der zweite Themenblock firmiert unter dem Titel "L'edit de Nantes (1598)" und erlaeutert die Ursachen der Religionskriege des 16. Jahrhunderts, die wichtigsten Inhalte des Edikts sowie seine Konsequenzen bis hin zur Revokation von 1685 und zur hugenottischen Diaspora. Der dritte Themenblock schliesslich befasst sich unter dem Obertitel "La tolerance en europe au temps de l'edit de Nantes" mit der Intransingenz der Gegenreformation, mit unterschiedlich toleranten Stroemungen des Protestantismus sowie mit der Situation der Christen auf dem osmanisch beherrschten Balkan. Durch die Einbeziehung Polens werden auch Ansaetze zu einer Toleranzpolitik in einem ueberwiegend katholischen Land thematisiert, umgekehrt werden am Beispiel der Niederlande die Probleme der dortigen katholischen Minderheit in den Blick genommen. Zusaetzlich zu den drei genannten Themenbloecken wird als viertes Hauptelement der CD-ROM der Gesamttext des Edikts von Nantes zur Lektuere angeboten. Wer die 92 Artikel jedoch ungern im Rahmen der unflexiblen Macromedia-Praesentation in kleiner Schrift am Bildschirm lesen moechte, kann auf die zweite PDF-Datei im Verzeichnis "textes" der CD-ROM zurueckgreifen, die eine wesentlich komfortablere Lektuere und Weiterverwendung des Textes ermoeglicht.

Vergleicht man die vorliegende Produktion mit anderen CD-ROMs des Infotainment-Genres, so kann die Verbindung von Hintergrundinformationen zum Edikt von 1598 mit raeumlich, zeitlich und inhaltlich weit ausgreifenden strukturgeschichtlichen sowie toleranzhistorischen Themen als ueberwiegend gut gelungen bezeichnet werden. Anschauliche Gegenueberstellungen der zentralen Glaubensinhalte der konkurrierenden Konfessionen, klar strukturierte Ueberblickskarten zu den politischen Verhaeltnissen in Europa oder der Einsatz aussagekraeftigen Bildmaterials zum Thema "Religionskrieg" wurden im Rahmen einer einfach gehaltenen, aber ansprechenden grafischen Gestaltung zu einem kohaerenten Ganzen zusammengefuegt.

Es waere unangemessen, an diese CD-ROM Massstaebe anzulegen, die nicht der Zielsetzung der Macher entsprechen wuerden. Doch auch im Rahmen einer Infotainment-CD-ROM waeren zum Beispiel eine kleine Literaturliste oder kurze Erlaeuterungen zum verwendeten Bildmaterial (Datierung, Benennung der Kuenstler etc.) nuetzlich gewesen. Im Teil ueber die Kunst- und Kulturgeschichte sind einige Musikstuecke zu hoeren, zu denen man ausser dem Namen des Komponisten gerne auch den Titel erfahren wuerde. Dem im Untertitel erhobenen Anspruch der Interaktivitaet wird die Scheibe letztlich nur teilweise gerecht. Der Benutzer kann zwar bestimmen, welche Kapitel er in welcher Reihenfolge anschauen und welche Eintraege des biographischen Lexikons oder des Glossars er zwischendurch ansteuern will. Ist aber erst einmal eine Hoertext/Animations-Sequenz gestartet, bleibt der Benutzer bis zum Ende der jeweiligen Sequenz zum passiven Konsumieren des Gebotenen verurteilt. Dass am Ende der einzelnen Praesentationen jeweils passende Links zu den beiden Lexika angeboten werden, kann als gute Idee zur Vermeidung von Orientierungsproblemen positiv hervorgehoben werden. Optionen fuer echte Interaktivitaet im Sinne von spielerischen Lernkontrollen, von Notizbuch-Funktionen zur selbsttaetigen Aufarbeitung des angesammelten Wissens oder von Moeglichkeiten zur Verarbeitung von Textbausteinen oder Bildmaterialien im Rahmen von kleinen Referaten werden dem Benutzer jedoch nicht geboten.

Trotz der einen oder anderen kritischen Anmerkung ist der hier vorgestellten Produktion eine weite Verbreitung zu wuenschen. Im Rahmen der selbstgesetzten Ziele wurde ein kohaerentes und ausgewogenes Ergebnis erreicht, das ein wichtiges Thema im europaeischen Rahmen behandelt und nicht zuletzt aufgrund der Qualitaet der Hoertexte fuer deutschsprachige Schueler und Studenten eine interessante Herausforderung darstellen koennte.


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