...1603...

Der Himmel über "Die vier Jahreszeiten" von Joos de Momper


Der Sternenhimmel

1603

Frühling - Sommer - Herbst - Winter

Illustrationen: StarryNight 2.1 & -- jd --


Ereignisse

24.5.1543
Tod Nikolaus Kopernikus
Veröffentlichungsjahr seines Werkes "De revolutionibus orbium coelestium"
14.12.1546
Geburt Tycho Brahes
...

15.2.1564
Geburt Galileo Galileis
...

27.12.1571
Geburt Johannes Keplers
1572
Geburtsjahr Johannes Bayers
Tychonische Supernova (Maximum -4m1 in der Cassiopeia; Venus in größter Illumination: -4m7)
...

1582
Kalenderreform durch Papst Gregor XIII.
Einführung des noch heute gültigen Gregorianischen Kalenders
(im protestantischen Teil Deutschlands allerdings erst ab 1700)
...

1596
Veröffentlichung des Werkes "Mysterium cosmographicum"
von Johannes Kepler (siehe ...1609...)
1598
Erscheinungsjahr des Werkes "Astronomiae instauratae mechanica" von Tycho Brahe
17.2.1600
Verbrennung Giordano Brunos als Ketzer
24.1.1601
Tod Tycho Brahes (siehe ...1609...)
1602
Erscheinungsjahr des Werkes "Astronomiae instauratae progymnasmata" von Tycho Brahe
1603
Erscheinungsjahr des Werkes "Uranometria" von Johannes Bayer (siehe unten)
1604
Keplersche Supernova (Maximum -2m6 im Ophiuchus; Jupiter in Opposition: -2m7)
Erscheinungsjahr des Werkes "Astronomiae Pars Optica" von Johannes Kepler

Sonne und Sterne im Lauf der Jahreszeiten

Graphik des Kopernikanischen Sy
stems

Sceno Graphia Systematis Copernicast nach Andreas Cellarius (aus "Das Große Lexikon der Astronomie")

Im Laufe eines Jahres wandert die Sonne scheinbar einmal durch den Ring der Tierkreiszeichen am Himmel. Der Grund für diese Wanderung ist die Bewegung der Erde um die Sonne, wie sie das Kopernikanische System prinzipiell postuliert hatte. Die Umkreisung der Sonne durch die Erde bildet eine Fläche, die Ekliptik genannt wird. Die Ekliptikpolachse ist die Senkrechte zur Ekliptik und zeigt auf den Pol der Ekliptik (im Norden der nördliche Pol der Ekliptik, engl. North Ecliptic Pole). Am Himmel liegt dieser Punkt im Drachen.

Die Achse, um die sich die Erde einmal täglich dreht, ist etwa 23,5o zur Ekliptikpolachse geneigt. Diese Drehachse zeigt auf den Himmelspol (im Norden der Nordpol oder nördliche Himmelspol, engl. North Celestial Pole). Heutzutage ist der dem nördlichen Himmelspol am nächsten liegende Stern der Polarstern.

Der Himmelsäquator ist die Trennlinie zwischen Nordhimmel und Südhimmel und ist prinzipiell die Weiterführung des irdischen Äquators in den Himmel hinein.

Die Neigung der Drehachse zur Ekliptikpolachse setzt sich in der Neigung der Ekliptik zum Himmelsäquator fort. Das bedeutet, daß die Sonne, die scheinbar auf der Ekliptik wandert, zur einen Hälfte oberhalb und zur anderen Hälfte unterhalb des Himmelsäquators liegt und nur zweimal im Jahr den Äquator schneidet. An diesen Schnittpunkten sind Tag und Nacht (auf der ganzen Erde) gleich lang - man spricht von der Tag-und-Nacht-Gleiche bzw. dem Äquinoktium.

Wenn die Sonne dabei von der Südhalbkugel auf die Nordhalbkugel wandert, so ist dies Frühlingsbeginn für den nördlichen Teil auf der Erde und Herbstanfang für den südlichen Teil der Erde. Dieser Punkt wird auch Frühlingspunkt oder Widderpunkt genannt, denn zur Zeit der Entstehung dieser Systematik im Altertum befanden sich die Entwickler auf der Nordhalbkugel der Erde und der im Rahmen der Präzession (siehe unten) weiterwandernde Frühlingspunkt lag zu dieser Zeit im Widder. Er liegt heute in den Fischen (Pisces):

Die Sonne im Frühlingspunkt, Mittag, 21. März

Die waagerechte blaugrüne Linie im obigen Schema ist der Himmelsäquator. Die Ekliptik ist die hellgrüne Linie, die durch die Fische, den Wassermann (Aquarius) und den Steinbock (Capricornus) geht. Die diese Linie an der Frühlingsstellung kreuzende Linie ist der ekliptikale Meridian, von dem aus die ekliptikale Länge aus gezählt wird.

Der heutige, von Papst Gregor XIII. 1582 eingeführte Kalender ist so ausgerichtet, daß die Sonne diesen Punkt jeweils um den 21. März herum erreicht. Kalendarisch ist von diesem Zeitpunkt an für drei Monate Frühling. Die Sonne wandert in dieser Zeit von den Fischen über den Widder (Aries) in den Stier (Taurus) nahe den Zwillingen (Gemini):

Die Sonne an der Sommersonnenwende, Mittag, 21. Juni

Die Bilder sind jeweils aus 1000 Kilometern Höhe entstanden, so daß der blaue mittägliche Himmel dem Schwarz des Weltraums gewichen ist. Zur Sommersonnenwende steht die Sonne am höchsten Punkt über den Himmelsäquator, und zwar wie an der dunkelgrünen Skala zu sehen etwa 23,5o!

Dieser Winkel ist die Ursache für die Temperaturunterschiede in den Jahreszeiten, da die Sonnenstrahlen je nach Eintrittswinkel in die Atmosphäre die unteren Schichten stärker oder schwächer aufheizen können. Zur Sommersonnenwende treten die Sonnenstrahlen um 23,5o steiler in die Erdatmosphäre ein und erzeugen dadurch eine größere Erwärmung am Boden, gefiltert und ausgeglichen durch die Luftschichten, Wassermassen und Vegetation.

An der Skala ist auch zu sehen, daß zur Sommersonnenwende die Sonne an der 6-Uhr-Position steht, d.h. jeder zurückgelegte Monat entspricht etwa 2 Stunden auf der 24-Stunden-Skala der Ekliptik, und die geraden Stundenpositionen entsprechen jeweils dem Tag um den 21. des Monats, also 0 Uhr ~ 21. März, 2 Uhr ~ 21. April, 4 Uhr ~ 21. Mai, 6 Uhr ~ 21. Juni, 8 Uhr ~ 21. Juli, 10 Uhr ~ 21. August, 12 Uhr ~ 21. September, 14 Uhr ~ 21. Oktober, 16 Uhr ~ 21. November, 18 Uhr ~ 21. Dezember, 20 Uhr ~ 21. Januar und 22 Uhr ~ 21. Februar.

Der höchste Stand der Sonne bedeutet auch, daß zu dieser Zeit der Tag am längsten und die Nacht am kürzesten ist, da die Sonne ihren längsten Weg oberhalb des irdischen Horizonts zu bewältigen hat. Danach werden die Tage kürzer, während die Sonne über Zwillinge, Krebs (Cancer), Löwe (Leo) in die Jungfrau (Virgo) wandert:

Die Sonne im Herbstpunkt, Mittag, 22. September

Die Ankunft der Sonne im Herbstpunkt markiert die abermalige Tag-und-Nacht-Gleiche und den Beginn des Herbstes (auf der Nordhalbkugel der Erde).

Obwohl der Tierkreis bzw. Zodiak aus 12 Sternbildern besteht, wandert die Sonne im Laufe des Jahres tatsächlich durch 13 Konstellationen: Der Schlangenträger (Ophiuchus) gehört nicht zum Tierkreis, trotzdem muß die Sonne kurz vor Erreichen des Schützen (Sagittarius) und der Wintersonnenwende durch den Fuß des Schlangenträgers hindurch, etwa durch das Gebiet, wo 1604 auch die Supernova zu beobachten war.

Vor dem Schlangenträger hatte die Sonne kurz die obere Schere des Skorpions (Scorpius), die Waage (Libra) und die Jungfrau passiert.

Im Winterpunkt etwa um den 21. Dezember herum hat die Sonne dann ihren tiefsten Stand gegenüber dem Himmelshorizont erreicht, nämlich rund 23,5o darunter. Es herrscht der kürzeste Tag und die längste Nacht des Jahres. Danach werden die Tage wieder länger und die Sonne strebt während des Winters durch den Schützen, Steinbock, Wassermann in die Fische wieder dem Frühlingspunkt zu:

Die Sonne an der Wintersonnenwende, Mittag, 21. Dezember

Wie schon angedeutet ist der Stand der Sonne in den Sternbildern unabhängig von Frühlingspunkt, Sommersonnenwende, Herbstpunkt und Wintersonnenwende.

Eintritt und Austritt der Sonne bzgl. der Sternbilder ändert sich im Lauf der Jahrhunderte und Jahrtausende:

astrologisch400 v.Chr. 1600 n.Chr. 2000 n.Chr.
SternzeichenvonbisEintrittAustrittEintrittAustrittEintrittAustritt
Steinbock22.12.20.1.22.12.18.1.14.1.11.2.20.1.17.2.
Wassermann21.1.19.2.18.1.11.2.11.2.6.3.17.2. 12.3.
Fische20.2.20.3.11.2.21.3.6.3.12.4.12.3. 18.4.
Widder21.3.20.4.21.3.15.4.12.4.8.5.18.4.14.5.
Stier21.4.20.5.15.4.24.5.8.5.15.6.14.5.21.6.
Zwillinge21.5.21.6.24.5.22.6.15.6.14.7.21.6. 20.7.
Krebs22.6.22.7.22.6.13.7.14.7.4.8.20.7.10.8.
Löwe23.7.23.8.13.7.19.8.4.8.10.9.10.8.16.9.
Jungfrau24.8.23.9.19.8.2.10.10.9.25.10.16.9. 31.10.
Waage24.9.23.10.2.10.27.10.25.10.17.11.31.10.23.11.
Skorpion24.10.22.11.27.10.1.11.17.11.24.11.23.11.29.11.
Schlangenträger------------1.11.19.11.24.11.12.12.29.11.18.12.
Schütze23.11.21.12.19.11.22.12.12.12.14.1.18.12.20.1.

Die obige Tabelle zeigt, daß 400 v.Chr. die astrologischen Sternzeichen mit dem Lauf der Sonne noch relativ gut harmonierten, während 2000 n.Chr. die astronomische Position der Sonne fast nichts mehr mit dem astrologischen Sternzeichen zu tun hat. Im Jahre 2000 wird ein astrologischer Zwilling bis auf wenige Stunden Ausnahme ein astronomischer Stiergeborener sein.

*

So wie die Sonne im Laufe des Jahres durch die Tierkreiszeichen wandert, verändert sich um ein halbes Jahr versetzt der Südhimmel der Mitternacht: Wenn im März die Sonne am Mittag in den Fischen steht, so sind die Fische im September um Mitternacht im Süden am Herbsthimmel zu sehen, und so wie die Sonne im September zu Mittag in der Jungfrau steht, so ist die Jungfrau um Mitternacht zu Frühlingsbeginn im Süden zu sehen:

Der südliche Mitternachtshimmel zum Frühlingsanfang

Das obige und die folgenden Bilder vom Südhimmel um Mitternacht zeigen einen Ausschnitt der obigen Wechselkarte des gesamten Himmels von 1603, wobei allerdings die Planeten und der Mond herausgenommen wurden, die in den Gesamtkarten zu finden sind.

Zu Frühlingsanfang ist zu Mitternacht der Herbstpunkt genau im Süden. Das ist der zweite Kreuzungspunkt der Ekliptik (grün) mit dem Himmelsäquator (blaugrün). In der obigen Wechselkarte ist zu sehen, daß anders als die Sonne die Planeten selten genau auf der Ekliptik stehen, sondern eher nur in ihrer Nähe zu finden sind.

Von den Frühlingssternbildern ist das Trapez des Löwen (Leo) das herausragendste Gebilde. Der Krebs (Cancer), die Wasserschlange (Hydra), das Haar der Berenice (Coma Berenice) und auch die später in der Nacht erscheinende Waage (Libra) sind eher unscheinbar. Von der Jungfrau (Virgo) ist vor allem die helle, blauweiße Spica auffällig. Bei freier Sicht nach Süden findet man außerdem noch das Viereck des Raben am Horizont recht leicht. Eine wichtige Orientierungshilfe des Frühlings ist das Frühlingsdreieck, das sich aus den Sternen Arktur im Bootes, Regulus im Löwen und Spica in der Jungfrau bildet. Die untere Kante verläuft fast parallel zur Ekliptik und die kürzeste Kante weist recht gut auf den nördlichen Pol der Ekliptik im Drachen (Draco).

Der südliche Mitternachtshimmel zum Sommeranfang

Ein Vierteljahr später, wenn die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hat, liegt die Ekliptik und damit auch die Position der Planeten dem Horizont am nächsten. Die Zodiakalkonstellationen Skorpion (Scorpius) und Schütze (Sagittarius) liegen so tief, daß sie in Nordeuropa nie ganz über den Horizont hinausgelangen. Der rötliche Aldebaran im Skorpion steht im Sommer tief in Süden. Im Schützen, durch den auch die Milchstraße führt, befinden sich viele Galaxien, die jedoch alle nicht mit bloßem Auge zu sehen sind, zumal der Himmel um den Sommeranfang herum in Nordeuropa nie ganz dunkel wird.

Von den Sommersternbildern ist somit vor allem die Raute des Adlers (Aquila) und das östlich vom Zenit gelegene Kreuz des Schwans (Cygnus) am deutlichsten. Das sogenannte Sommerdreieck wird denn auch vom hellsten Stern im Schwan, Deneb, vom hellsten Stern im Adler, Atair (engl. Altair), und dem hellsten Stern in der Leier, Wega, gebildet. (Die hellsten Sterne mit ihren Namen sind in den Himmelskarten von 1613 und 1616 verzeichnet. 1613 und 1616 haben auch das Ekliptikraster, während das Raster in den obigen Himmelskarten von 1603 ein lokales Raster mit dem Zentrum im Zenith eingezeichnet ist.)

Der südliche Mitternachtshimmel zum Herbstanfang

Wieder ein Vierteljahr später steht der Widderpunkt um Mitternacht im Süden, und darüber ist das deutliche Viereck des Pegasus zu sehen. Dieses Viereck wird gleichzeitig das Herbstviereck genannt.

Östlich vom Pegasus ist Cetus der Walfisch zu sehen, von dem hauptsächlich der hellste Stern Mira auffällt. Tief im Süden ist bei freier Sicht der helle Stern Fomalhaut zu sehen, der zu den südlichen Fischen gehört.

Der südliche Mitternachtshimmel zum Winteranfang

Im Winter entwickelt sich dann das Finale des Reigens der Sternbilder. Als das neben dem Großen Bären und der Kassiopeia - dem Himmels-W - bekanntesten Sternbild kulminiert Orion um Mitternach der Wintersonnenwende am Südhimmel.

Südöstlich von Orion steht der Große Hund (Canis Mayor), der mit Sirius den hellsten Stern des Nachthimmels überhaupt enthält. Östlich von Orion liegt das Sternbild des Kleinen Hunds (Canis Minor) mit dem ebenfalls sehr hellen Stern Procyon.

Nordwestlich von Orion ist das Sterbild des Stiers (Taurus) mit dem rötlich hellen Aldebaran zu sehen. Westlich des Stiers wiederum ist mit gutem Auge ein kleiner Sternhaufen zu erkennen: Das Siebengestirn bzw. die Plejaden. Oberhalb des Stiers liegt der Fuhrmann (Auriga) mit dem sechsthellsten Stern Kapella.

Nordwestlich des Kleinen Hunds und südöstlich des Fuhrmanns liegt die doppelte Sternenkette der Zwillinge (Gemini). Aus derem hellsten Stern Pollux, Procyon, Sirius, Rigel im Orion, Aldebran und Kapella bildet sich das Wintersechseck, das jedoch von der deutlichen Gestalt des Orion überschattet wird.

Alle anderen Wintersternbilder wie das Einhorn östlich des Orion, der Hase südlich des Orion und der Fluß der Unterwelt Eridanus westlich von Orion sind ebenfalls unscheinbar und in heutigen Stadtgebieten kaum auszumachen, obwohl durch die tiefe Stellung der Sonne im Winter die dunkelsten Nächte des Jahres herrschen.


Zum Sternenhimmel 1603

Anfang des 17. Jahrhunderts n.Chr. begann in Westeuropa das Ende des dunklen Zeitalters. Jahrhundertelang hatte der Orient die Vorreiterrolle in vielen wissenschaftlichen Bereichen inne, so auch in der Astronomie. Orientalische Astronome bauten kunstvolle Astrolabien, mit denen die Position der Planeten in Abhängigkeit von der Zeit

bestimmt werden konnte und mit denen es möglich war, Sonnen- und Mondfinsternisse vorherzusagen.

Auch bei der Himmelskartographierung waren sie führend. Fast alle helleren Sterne der nördlichen Hemisphäre tragen noch heute arabische Namen, wie zum Beispiel die sieben Hauptsterne des Großen Bären (Ursa Major):

Nr.Helligkeit Bayer NameArabischer NameÜbersetzung
1. 1m9alpha UMa DubheBär
2. 2m4beta UMa MerakLende
3. 2m5gamma UMa PhekdaSchenkel
4. 3m4delta UMa MegrezSchwanzansatz
5. 1m7-1m8epsilon UMaAliothSchwanz
6. 2m4+4m2zeta UMaMizar+AlkorGürtel+Reiterlein
7. 1m9eta UMa BenetnashKlageweib

Die Namen gehen auf einen der ausführlichsten Sternenkataloge dieser Zeit zurück: das Buch der Fixsterne "Liber de stellis fixarum" des al-Sufi (903-986 n.Chr.) aus dem 10. Jahrhundert. Davor hatte Claudius Ptolemaeus (~87-170 n.Chr.) den Sternenkatalog des Hipparch aus Nikäa (~190-125 v.Chr.) mit über 1000 Sternen überliefert. Hipparch hatte auch die Größenklassen für Sterne eingeführt, nach denen die hellsten sichtbaren Sterne zur 1. und die gerade noch mit dem bloßen Auge sichtbaren Sterne zur 6. Klasse gehörten. 1603 dann veröffentlichte Johannes Bayer (1572-1625) sein "Uranometria" mit etwa 2000 Sternen (s.u.).

Die Unterschiede des Sternenhimmels von 1603 im Vergleich zum Sternenhimmel von heute (1997) sind nicht allzu offensichtlich. Trotzdem hat sich auch bei den scheinbar festen Lichtpunkten

- den Fixsternen - innerhalb von rund 400 Jahren einiges geändert.

Den spektakulärsten Unterschied bilden wahrscheinlich die Supernovae 1604 (im Schlangenträger), bei der in einem Doppelsternsystem eine der Sonnen vollständig explodiert ist, 1667 (in der Cassiopeia) und 1987 (in der Großen Magellanschen Wolke), bei denen ein übergroßer Stern Teile seiner äußeren Hüllen in den Weltraum geschleudert hatte. Dort, wo vorher ein pulsierender Stern zu sehen gewesen war, sind danach je nach Stern und Umgebung beeindruckende oder unscheinbare, sich ausbreitende Gaswolken und Schockwellen zu beobachten.

Die Ursache für einen anderen Unterschied zwischen dem Sternenhimmel des beginnenden 17. Jahrhunderts und des endenden 20. Jahrhunderts kannte auch schon Hipparch aus Nikäa vor der Zeitwende: Die Präzession.

Die Präzessionsellipse des Himmelsnordpols

Die Drehachse der Erde ist etwa 23,5o zur Ekliptikpolachse geneigt. Diese Neigung ist die Ursache für die Temperaturunterschiede in den Jahreszeiten, da die Sonnenstrahlen je nach Eintrittswinkel in die Atmosphäre die unteren Schichten stärker oder schwächer aufheizen können.

Die Ekliptikpolachse ist die Senkrechte zur Ekliptik (die Ebene der Bahn der Erde um die Sonne) und zeigt auf den Pol der Ekliptik (im Norden der nördliche Pol der Ekliptik, engl. North Ecliptic Pole). Die Drehachse zeigt auf den Himmelspol (im Norden der Nordpol oder nördliche Himmelspol, engl. North Celestial Pole).

Durch die Einflüsse von Sonne und Mond führt die Erde eine Taumelbewegung um den Pol der Ekliptik aus, bei der der Himmelsnordpol einmal in 25700 Jahren um den Pol der Ekliptik kreist. Dieser Zeitraum wird ein Platonisches Jahr genannt. Die einem Kreisel entsprechende Taumelbewegung nennt man Präzession. Zur Zeit des ägyptischen Reiches etwa 3000 v.Chr. lag der Himmelsnordpol

wegen dieser langfristigen Erdbewegung nicht in der Nähe des heutigen Polarsterns, sondern in der Nähe von alpha Draconis (mit dem arabischen Namen Thuban, der Drache).

Trotz seiner geringen Helligkeit wurde um 800 n.Chr. der Stern 32H Camelopardis von den Wikingern zur Navigation als Polarstern benutzt, da er nur etwa 0,5 Bogengrad vom eigentlich Himmelsnordpol entfernt war. Im Jahr 2102 ist der Polarstern dem Himmelsnordpol mit etwa 25 Bogenminuten am nächsten. Sofern im Jahr 14000 n.Chr. noch Menschen existieren, wird für diese die helle Wega in der Leier als Nordstern dienen können, während in 23000 Jahren wieder Thuban in der Nähe des Himmelsnordpols liegt.

Der durch die Präzession erzeugte Unterschied am Himmel zwischen 1603 und 1997 ist bei genauerer Betrachtung relativ deutlich:

Der ungefähre Abstand Polaris-Himmelsnordpol 1603 und 1997

1603 betrug der Abstand des eigentlichen Nordpols zu Polaris noch knapp drei Bogengrad, während der Abstand heute nur noch etwa 45 Bogenminuten beträgt. Der Unterschied entspricht mehr als vier scheinbaren Vollmonddurchmessern am Himmel. Gleichzeitig verändern sich in vergleichbarer Weise die Koordinaten der Sterne, die im Zeitalter der leistungsfähigen Computerprogramme zur astronomischen Berechnung dynamisch in Abhängigkeit zur aktuellen Präzessionsstellung mitberechnet werden können.

Bis über die Mitte des 20. Jahrhunderts hinaus wurde zur Vereinfachung der Positionsberechnung bzw. bei zu druckenden Karten eine Epoche als Referenzdatum benutzt, um die herum die Positionen der Sterne als fixiert angenommen werden.

Eine solche Epoche ist z.B. der 1. Januar 2000 0 Uhr Greenwich Zeit bzw. 2451544,50 Julianischer Zeitrechnung.

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Zeitrechnung ist ein weiterer Unterschied zwischen dem Himmel des 17. und des 20. Jahrhunderts. Die obigen Grafiken des Sternenhimmels von 1603 bezieht sich auf die Position der Stadt Antwerpen (de Mompers Wohnsitz, 51o13' nördlicher Breite und 4o26' östlicher Länge). Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts gab es keine Zeitzonen, wie sie heute üblich sind. Jedes Land und jede Stadt hatte ihre eigene Zeit bezogen auf den Stand der Sonne, die zur Mittagszeit im Süden stand.

Antwerpen, Mittag, 21. Dezember 1603 und 1997

In der obigen Gegenüberstellung ist zu sehen, wie die Sonne nahe ihrer tiefsten Mittagsstellung des Jahres 1603 bei einer lokalen Zeit von 18 Minuten hinter der Greenwich Zeit genau auf der südlichen Himmelslinie steht, während 1997 durch die Mitteleuropäische Zeit der Abstand über 6 Bogengrad beträgt.

Der Himmel der Erde (Symbol: ) des Jahres 1603 war auch anderweitig noch wohlgeordnet. Neben Sonne () und Mond () waren Merkur (), Venus (), Mars (), Jupiter () und Saturn () bekannt. Nach der allgemein anerkannten Theorie des Claudius Ptolemaeus bewegten sich alle diese Planeten (griechisch für "Wanderer") um die Erde, die in der Mitte eines endlichen, von der Fixsternsphäre umschlossenen Universums ruhte. Der Dominikaner Giordano Bruno (1548-1600), der das heliozentrische Weltbild von Nikolaus Kopernikus und ein unendliches Universum vertreten hatte, war 1600 in Rom als Ketzer verbrannt worden.

Uranus (), Neptun () und Pluto (), die Monde der Planeten, die Asteroiden und Sternennebel harrten noch ihrer Entdeckung. Mit bloßem Auge sichtbare Ereignisse wie Meteoritenschauer und Kometen waren unerklärlich und wurden als Glücks- oder Unglückszeichen Gottes innerhalb oder dicht über der Erdatmosphäre gewertet. Innerhalb oder dicht über der Erdatmosphäre deshalb, weil die Sphären oberhalb des Mondes als unveränderlich galten.

Die Kugelgestalt der Erde war zu dieser Zeit jedoch schon wiederentdeckt. Aristoteles (384-322 v.Chr.) hatte sie durch die immer kreisförmigen Schatten der Erde bei Mondfinsternissen postuliert. Der Genuese Christoph Kolumbus (1451-1506 n.Chr.) hatte sie beweisen wollen, indem er Indien über einen westlichen Seeweg erreichen wollte. 1492 erreichte er im Dienste Spaniens nach 61 Tagen Fahrt jedoch "nur" die Bahamas vor Amerika. Zum Glück, denn ohne den Kontinent dazwischen wäre die Mission mit fatalen Folgen an Proviantmangel gescheitert (siehe auch H.-U. Keller (Hrsg.): "Das Himmelsjahr 1992", Kosmos Verlag 1991). - 1498 erreichte Vasco da Gama dann über die Route um die Spitze Südafrikas herum Indien auf dem Seeweg in Ostrichtung.

1519-1522 erfolgte die erste echte Weltumsegelung durch den Portugiesen Fernando de Magalhaes (1480-1521) ebenfalls unter spanischer Flagge, der die nach ihm benannte Magellanstraße zwischen Südamerika und Feuerland entdeckte, als erster den Pazifik überquerte und 1521 auf den Philippinen von Eingeborenen erschlagen wurde. Eines der fünf Schiffe seiner Flotte erreichte 1522 unter Kapitän Elcano dennoch wieder den Ausgangshafen Sanlucar de Barrameda.

Auf diesen und den folgenden Reisen um die Welt wurde auch das erstemal der südliche Sternenhimmel der Erde von Europäern gesehen...


Bayers "Uranometria" von 1603

StarryNight Screendump

Ursa Major - Der Große Bär nach dem "Uranometria" in StarryNight

Der heutige Himmel ist in 88 international festgelegten Konstellationen aufgeteilt. Eine der bekanntesten davon ist der Große Bär, dessen Hauptteil aus sieben hellen Sternen in Mitteleuropa zirkumpolar ist - d.h. die Sterne liegen unabhängig von der Jahreszeit immer oberhalb des Horizonts.

Verschiedene Völker haben in das Gebilde unterschiedliche Dinge und Szenen hineininterpretiert. In Europa ist der Große Bär gleichzeitig auch als Großer Wagen bekannt, während er in Nordamerika oftmals als "Big Dipper" (die Große Schöpfkelle) bezeichnet wird. Im China des Altertums war es ein himmlischer Hofbeamter, der mit seinen ewig hoffnungsvollen Bittstellern um den Nordpol zog und im alten Ägypten bildeten die sieben Sterne einen Stier, gefolgt von einem waagerecht angeordneten Menschen (siehe Carl Sagan: "Unser Kosmos", Knaur 1980, S. 58f.).

Das Besondere am Großen Wagen ist, daß die Verbindungslinie von der Hinterachse (Merak) über die hintere Ladeklappe (Dubhe) fünfmal verlängert ziemlich genau zum heutigen Polarstern führt. Deshalb ist dieses Sternbild eines der wichtigsten Hilfmittel zur groben Orientierung am Himmel und ohne Kompaß auf der Erde.

Der Große Bär ist eines der 48 Sternbilder, die auch schon vor Beginn des 17. Jahrhunderts bekannt waren. Diese 48 unsprünglichen Sternbilder waren von Claudius Ptolemaeus aufgelistet worden und umfaßten die zwölf Sternbilder des Tierkreises (Wassermann, Fische, Widder, Krebs, Stier, Löwe, Jungfrau, Zwillinge, Waage, Schütze, Skorpion und Steinbock), die meisten Sternbilder des Nordhimmels (u.a. Kassiopeia, Andromeda, der Kleine Bär, Drache, Kepheus, Perseus, Schwan, Delphin, Pegasus, der Fuhrmann, Herkules, der Pfeil und die Leier) und auch einige Sternbilder des Südhimmels (u.a. der Zentaur, der Walfisch, der Rabe, der Kelch und der Hase).

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Johannes Bayer (1572-1625) vollendete 1603 einen Sternenkatalog, der aus den Aufzeichnungen der Seefahrer auch erstmals den kompletten südlichen Himmel umfaßte und einige der dortigen Sterne zu neuen Sternbildern zusammenfaßte. Oftmals sind seine Illustrationen noch heute in Jahrbüchern zu finden.

Er führte zwölf neue Sternbilder in die südliche Hemisphäre ein: Apus bzw. den Paradiesvogel, das Chamaeleon, Dorado bzw. den Goldfisch oder Schwertfisch nahe der Großen Magellanschen Wolke, Grus bzw. Kranich, Hydrus bzw. die Kleine Wasserschlange, Indus bzw. der Indianer, Musca bzw. die Fliege, Pavo bzw. der Pfau, Phoenix, Triangulum Australe bzw. das Südliche Dreieck, der die Kleine Magellansche Wolke enthaltene Tucana bzw. Toukan und Volans, ursprünglich Piscis Volans bzw. der Fliegende Fisch.

In seinem Katalog zeichnete Bayer erstmals Sterne bis zur vierten Größenordnung auf. Insgesamt umfaßte der Katalog etwa 2000 Sterne und ihre Positionen. Viele davon hatten bislang keinen Namen. Um sie trotzdem bezeichnen zu können führte Bayer eine systematische Notation ein, die schnell akzeptiert wurde und noch heute benutzt wird: Der Name eines Sterns besteht danach aus dem Genitiv des lateinischen Namens seines Sternbildes, in dem er enthalten ist, und einem griechischen Buchstaben, wobei von alpha beginnend abwärts die Sterne ihrer Größenordnung nach sortiert buchstabiert werden. Die Sortierung nach der Größenordnung wird nur in einigen Ausnahmefällen durchbrochen, so z.B. beim Großen Bären (siehe obige Tabelle) und bei den Zwillingen, bei denen der etwas schwächere Stern Castor nach Bayer alpha Geminorum und der etwas hellere Stern Pollux nach Bayer beta Geminorum heißt. Bei Doppelsternen wird am griechischen Buchstaben noch ein Index angehängt, der die Komponenten numeriert.

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Bayer war Rechtsgelehrter und Liebhaberastronom und schuf mit seinen Sternkarten den ersten brauchbaren und den letzten Himmelsatlas vor der Erfindung des Teleskops. Er starb 1625 in Augsburg.

Der Sternenhimmel von Frühling, Sommer, Herbst und Winter 1603 in der einleitenden Grafik ist bezogen auf die Sternbilder denn auch eher der heutige Sternenhimmel: das Sternbild der Giraffe (Camelopardis) wurde erst 1624 eingeführt von Jakob Bartsch (1600-1633), einem Schwiegersohn Johannes Keplers. Es steht in der Tradition des "Uranometria", nicht mehr Gestalten aus der griechisch/ägyptischen Mythologie zu beinhalten, sondern Exotisches und Zeitgenössisches. Bartsch führte außerdem Vulpecula (das Füchschen), Monoceros (das Einhorn) und Reticulum (das Netz) ein.

Weitere Erweiterungen in der Sammlung der Sternbildern nach ihm erfolgten vor allem durch Johannes Hevelius (1611-1687) und Nicolas L. de Lacaille (1713-1762). Hevelius wurde auch Johann oder Jan Hevel oder Höwelcke genannt, war

Gründer der legendären Danziger Sternwarte mit einem 45 Meter langen Teleskop, Entdecker der Phasen des Merkurs 1644 und Autor der ersten Beschreibung der Mondoberfläche "Selenographia" 1647. Er führte Mitte des 17. Jahrhunderts u.a. Canes Venatici bzw. die Jagdhunde, Lacerta bzw. die Eidechse und Leo Minor bzw. den Kleinen Löwen ein.

Lacaille führte 14 neue Konstellationen Mitte des 18. Jahrhunderts ein, u.a. Horologium bzw. die Pendeluhr, Antila bzw. die Luftpumpe und Fornax bzw. den Ofen am Südhimmel.

Weitere historische Sternenkataloge nach Bayer und Hevelius erstellten John Flamsteed (1646-1719) 1729 (posthum erschienen) mit 2700 Sternen, der ebenfalls eine eigene, noch heute oftmals zu findende Numerierung aufstellte, und Johann Elert Bode (1747-1826) 1782 mit 17.000 Sternen. Aktuelle Sternenkarten gehen bei ihrer Darstellung bis zur 10., 11. usw. bis zur 15. Größenordnung, das sind 250.000 bis 18.800.000 Sterne und Nebel, die jedoch nur noch mit photographischen und oder elektronischen Mitteln erfaßt und verarbeitet werden können.

PavoTriangulumAustralePhoenix


- Zum "Himmels-Index",
- zum Jahr ...1605...1607... (Die Sonnenfinsternis 1605 und der große Komet von 1607),
- zum Jahr ...1609... (Die Mondfinsternis 1609 und Keplers "Astronomia nova"),
- zum Jahr ...1610...1613... (Galileis "Sidereus Nuncius und die Jupiter-Neptun-Konjunktion 1613),
- zum Jahr ...1614...1618... (Die Sonnen- und Mondfinsternis 1614 und 1616 und die Kometen von 1618),
- zum Jahr ...1619...1620... (Keplers "Harmonices Mundi" und die Mondfinsternisse von 1620).


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